SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
tun haben“, sagte ich deshalb. „Vielleicht fehlt außerhalb von Körpern gespeicherte Essenz die Individualität, weil sie eben auch nicht von einem Individuum ausgestrahlt wird.“ Sowohl das Thema als auch die Tatsache, dass ich mich an den Vermutungen beteiligte, schien das Gespräch für Fiddlebury zu einer unüberwindlichen Geduldsprobe zu machen. Wie ein kleines Kind buhlte er mit unqualifizierten Störmanövern um unsere Aufmerksamkeit. „Wo bleiben eigentlich die Plätzchen?“, fragte er plötzlich. Tatsächlich hatte er Kinkin schon vor einer halben Stunde nach oben geschickt, um ihm die Keksdose zu holen. Warum er gleich nach dem Frühstück unbedingt seine Werkstatt vollkrümeln musste oder warum er sich das Backwerk nicht selbst holte, war mir allerdings schleierhaft.
„Ich schaue sofort nach“, erbot sich Rachel. Ihre Reaktion kam so willfährig, dass sie wie das Ergebnis einer regelrechten Dressur wirkte. Es tut mir leid, so etwas über meine Freundin Rachel sagen zu müssen, aber sie erinnerte mich in diesem Augenblick tatsächlich an ein gutes Pferd, das auf jeden Wink seines Herren zu springen bereit ist. Bevor sie ihr Versprechen jedoch in die Tat umsetzen konnte, hielt Charles sie sanft am Arm fest. „Bitte lasst mich das übernehmen“, bat er. Bevor sie antworten konnte, hatte er die Treppe bereits überwunden.
Rachel lächelte ihm einen Augenblick nach, bevor sie sich wieder an die Arbeit machte. Sie nahm eine unserer angelaufenen Münzen in die Hand und schritt mit ihr zum Essenz-Aspirator …
Oh? Davon hatte ich noch gar nicht erzählt? Das kommt vor, wenn ein Begriff für jemanden alltäglich geworden ist. Immerhin bin ich in dem Ding ja geboren worden, nicht wahr?
Der Essenz-Aspirator ist gewissermaßen das Herzstück von Fiddleburys Forschungen. Es ist ein wuchtiges Monstrum von einer Maschine, an der bestimmt ein Dutzend Messgeräten und doppelt so viele Regler und Hebel angebracht sind. Im Wesentlichen besteht das Gerät aber aus zwei Kammern. Einer kleinen Silberkammer – deren Größe der einer etwas überdimensionierten Hutschachtel entsprach – und der großen Zielkammer. In dieser wurde das Subjekt während der Essenzübertragung eingeschlossen. Die Fiddleburys hatten für ihre Konstruktion auf eine ausgediente Experimentaldruckkammer der Royal Navy zurückgegriffen. Sie war groß genug, um einen Menschen aufzunehmen, aber vollkommen schall- und luftdicht. Über ein kleines Bullauge konnte man jedoch hineinsehen und eine dampfgetriebene Pumpe versorgte eventuelle Insassen mit Atemluft. Eben diese Luftpumpe machte das Gerät zu einem laut lärmenden Ungeheuer.
Die Hauptfunktion der Apparatur war allerdings nicht das Erzeugen von Lärm. Die Maschine war in der Lage mit Druck, Chemikalien und geschickter Ladungsverteilung die schwarze Schicht von Silber in Sekunden zu verdampfen und die darin gespeicherte Essenz auf ein in der Zielkammer kauerndes Lebewesen zu übertragen.
Natürlich wollte Rachel das Gerät jetzt nicht seiner eigentlichen Bestimmung gemäß benutzen. Die Silberkammer des Essenz-Aspirators zeichnete sich aber durch eine Reihe praktischer Messgeräte aus. Rachel legte die Münze ein und verdampfte einen winzigen Teil der Probe. So konnten wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. Zum Beispiel, wie stark die Essenz aus ihrer Bindung in der schwarzen Substanz herausdrängte. Oder wie hoch der Schwefelanteil im physischen Teil der schwarzen Substanz ist. Beides war bei den aus unseren Spukexperimenten gewonnenen Proben außerordentlich niedrig.
Während Rachel die Probe untersuchte, hörte ich Kinkins schlurfende Schritte die Treppe herunterkommen.
„Alles in Ordnung?“, erkundigte ich mich.
„Alles bestens“, antwortete Charles lächelnd. „Kinkin hatte nur vergessen, was sie tun sollte.“
Wie üblich bestätigte sein Geschöpf die Erklärung mit einem schüchtern klingendem Kommentar: „Kinkin.“
Als sie Fiddlebury die Keksdose reichte, winkte dieser nur ab. „Jetzt habe ich auch keinen Hunger mehr“, erklärte er ungnädig.
Als ich sah, wie sie nach Verarbeitung des Kommentars den Kopf hängen lassen wollte, griff ich ein: „Also ich für meinen Teil könnte jetzt gut einen Keks gebrauchen.“ Fröhlich mit den Augen blinkend drehte sich das stählerne Dienstmädchen zu mir um.
„Kinkin“, sagte sie nicht minder erfreut. Allerdings blieb sie an Ort und Stelle stehen.
Nach einer kurzen Pause fügte ich grinsend hinzu: „Gib mir
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