SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
werden. Aber was hätten wir tun sollen? Wir brauchten ein Transportmittel und durften auf keinen Fall mit selbigem in Verbindung gebracht werden.
Im Augenblick verdrängte ich aber jeden Gedanken an die moralische Dimension unseres Tuns. Konzentriert betrachtete ich die Sicherheitsvorkehrungen des Ladens. Es gab zwei Schaufenster, von denen eines provisorisch mit einer Holzplatte verschlossen worden war, außerdem eine Tür mit Glasfenster. Sowohl der Eingang als auch die Fenster waren zusätzlich mit Gittern gesichert. Wie wir es erwartet hatten, ließ sich das Geschäft nur mit schwerem Werkzeug oder einem Schlüssel öffnen. Letzterer durfte sich jedoch beim Eigentümer befinden. Und von Charles’ Vermittlungsversuch wussten wir, dass selbiger direkt über seinem Laden wohnte. Da es in ganz London kein Haus gab, das für Ratten nicht zugänglich war, würde es mir zufallen, den Schlüssel zu besorgen.
„Da steht ein Fenster offen“, flüsterte Julie. Der Sternenhimmel spiegelte sich auf atemberaubende Weise in ihren Augen, sodass ich nur mit Verzögerung den Sinn ihrer Worte verstand. „Stimmt etwas nicht?“, fragte sie besorgt, als ich nicht gleich reagierte.
„Nein, alles bestens.“ Wir hatten jetzt keine Zeit zum Süßholzraspeln. Ich legte den Kopf in den Nacken und konnte sehen, was sie meinte. Genau über uns stand ein kleines Ausstellfenster offen. „Kannst du mich da hochwerfen?“
„Aber was ist, wenn ich nicht richtig treffe und du dir etwas tust?“
Ihr Zögern erwärmte mein Herz. Aber ich winkte ab. „Also, nach dem, was Fiddlebury mit mir gemacht hat, glaube ich nicht, dass mir bei dieser Höhe etwas passieren kann.“ Heldisch grinsend zeigte ich meine Schneidezähne. „Außerdem kannst du mich ja auffangen, wenn es danebengeht.“
Sie lächelte mich sichtlich von meinem Mut beeindruckt an. Trotz unseres Zeitdrucks genehmigten wir uns noch ein ausführliches Lippenknabbern, bevor wir den einfachen Plan in die Tat umsetzten.
Natürlich war Julie viel zu geschickt, um tatsächlich danebenzutreffen. Sanft wie ein springender Panther setzte ich auf dem leicht abfallenden Fenstersims auf. Ich schaute in ein verlassenes Badezimmer. Die Tür zum Flur stand eine menschliche Hand breit offen. Perfekt! Zum Zeichen, dass alles in Ordnung war, winkte ich meinen Komplizinnen zu. Dann verschwand ich im Zwielicht des Badezimmers.
Als ich auf dem Rand der Badewanne angekommen war, fiel mir ein merkwürdiger Geruch auf. Es roch ähnlich wie ein Plumpsklo, aber bei Weitem nicht so intensiv und unangenehm. Vermutlich hätte eine menschliche Nase den Geruch auch gar nicht wahrgenommen.
Kurz darauf entdeckte ich den Ursprung des unangenehmen Geruchs: Unter dem Waschbecken stand ein mit Sand und Sägemehl gefüllter Kasten, in den eindeutig Fäkalien gemischt waren. Erstaunt versuchte ich mir einen Reim auf diese Entdeckung zu machen. Vielleicht war Mr Volkins Angler und züchtete hier irgendeine Art von Köder? Oder es war irgendeine religiöse Sache? Da kamen Menschen ja auf die absurdesten Gedanken. Dass ich vor einem Katzenkästchen stand, wäre mir nicht im Traum eingefallen. Vermutlich waren die ursprünglichen Eigentümer der in mir versammelten Essenzen nie auf Katzenhalter getroffen, deren Haustiere sich nicht im Freien erleichtern konnten. Jedenfalls setzte ich meine Entdeckungstour ohne die gebotene Besorgnis fort.
Die aufkommende Dunkelheit war für meine Augen ein weit geringeres Problem, als ich erwartet hätte. Ein Blick in den Flur zeigte mir, dass auch die Türen zu allen anderen Zimmern einen Spalt offenstanden. Ich konnte kaum glauben, dass mir das Schicksal meine Aufgabe so entscheidend erleichtern wollte. Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass zwischen den offenen Türen und dem seltsamen Fäkalienkasten im Bad irgendein Zusammenhang bestand.
Die Orientierung war außerordentlich einfach. Schon von der Badezimmertür aus konnte ich linker Hand einen Schlüsselkasten erkennen. Dahinter führte eine Treppe ins Erdgeschoss – vermutlich direkt in den Laden. Einfacher konnte ich es kaum haben. Mein zweites Ziel verriet sich durch anhaltendes Schnarchen, das aus dem gegenüber liegenden Zimmer drang. Um auf Nummer sicher zu gehen, hatten wir uns darauf geeinigt, Mr Volkins zu betäuben. Nichts verkompliziert einen Einbruch so sehr, wie ein uneinsichtiger Zeuge. Also huschte ich geduckt über den Flur und schlich ins Schlafzimmer des Hausherrn.
Entgegen meines ersten
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