SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
Tag so weit aussperren, dass der Raum in annähernder Finsternis versank.
„Shortbread?“, flüsterte Julie in der Dunkelheit.
„Ja?“
„Ab heute tragen wir beide keine Nachthemden mehr, ja?“ Ein wohliger Schauer durchlief mich.
„Ich bin ganz deiner Meinung“, sagte ich mit belegter Stimme.
Für mehrere Minuten lagen wir still aneinandergeschmiegt da. In meinem Kopf fuhren die Gedanken Karussell und ich bezweifelte ernsthaft, dass ich überhaupt schlafen konnte. Zu intensiv war ihre Nähe und zu plastisch meine Fantasie. Julie schien es ähnlich zu gehen.
„Shortbread?“, flüsterte sie nach einer Weile erneut.
„Ja?“
„Deine Mütze darfst du aber aufbehalten.“
Eine junge Dame, eine distinguierte Ratte und ein dampfbetriebenes Dienstmädchen sind vielleicht kein klassisches Team, wenn es um die Durchführung eines Einbruchs geht – doch ich war zufrieden. Natürlich wäre ich statt mit Kinkin lieber mit Fifi durch die dunklen Gassen geschlichen. Aber meine Freundin mit dem französischen Akzent war die Einzige, die Noctis sicher auch mit Gewalt am Verlassen des Hauses hindern konnte. Da ich sie ohnehin nur zum Tragen unserer Beute benötigt hätte, war ich aber guter Dinge, dass Kinkin eine gute Vertretung sein würde. In ihrer schwarzen Männerkleidung, mit Schiebermütze und Sonnenbrille, die ihre leuchtenden Augen abdecken sollte, wirkte sie von uns allen auch am ehesten wie ein Gangster.
Die zierliche Julie ging trotz ihres kleinen Busens auch in der schwarzen Männerkluft nicht als Mann durch. Nicht einmal als Junge. Erfreulicherweise konnten Menschen aber bei Weitem nicht so gut wie ich im Dunkeln sehen. Ich selbst trug einen schwarzen Rollkragenpullover, den Rachel schon vor längerer Zeit für mich gestrickt hatte. Bei der Länge hatte sie es so gut gemeint, dass auch meine delikatesten Teile bedeckt wurden. So konnte ich auf eine Hose verzichten, was meiner Bewegungsfreiheit sehr zuträglich sein würde. Außerdem trug ich einen mit sorgfältig ausgewählten Utensilien bestückten Gürtel und eine schwarze Schlafmütze.
„Was für ein Schlachtfeld“, flüsterte Julie.
„Kinkin“, stimmte Kinkin ihr viel zu laut in empörten Tonfall zu.
Tatsächlich hatte Charles nicht übertrieben, als er uns von den Verwüstungen in dem Münzenladen berichtete. Bis auf die Theke gab es buchstäblich kein einziges intaktes Möbelstück mehr. Sogar die Decke hatte ein Loch. Zu unserem Glück schien der Eigentümer seine Ware aber nicht fortgeschafft zu haben. Zwei große Kisten und ein Sack standen neben der Theke; vermutlich hatte er die Münzen erst einmal zusammengekehrt und in den unwürdigen Behältnissen gelagert. Ich atmete auf. Wenn der Eigentümer noch keine Gelegenheit gefunden hatte, seine Schätze zu sortieren, hatte er sie vermutlich auch noch nicht gereinigt. Seine Münzen mussten so viel von Noctis Essenz gespeichert haben, dass wir auf die Rückgewinnung nicht verzichten konnten.
Der Black Garden Gentlemensclub hatte uns die Angelegenheit einfacher gemacht. Nur zu gern hatte man Charles die angelaufenen Gegenstände ausgeliefert, damit dieser daran „eine neue Erfindung testen“ konnte. Wenn er wollte, war Charles ein grandioser Lügner, auch wenn ihn dieses Kompliment nicht sehr gefreut hatte. Vermutlich kannte er Julie noch nicht gut genug, um ihre Worte richtig würdigen zu können. Jedenfalls hatte Mr Volkins – der Inhaber des Münzenladens – sich Charles Lüge gar nicht erst anhören wollen. Bevor mein Freund auch nur den Mund öffnen konnte, hatte man ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Vermutlich nahm der kleinliche Mensch Charles den Schlag mit dem Gewehrkolben noch immer übel. Da uns weitere gütliche Versuche eher verdächtig gemacht hätten, hatten wir uns zu dem – zugegebenermaßen drastischen – Mittel des Einbruchs durchgerungen.
Für Julie war das ein großer Spaß und auch ich hatte ein reines Gewissen. Schließlich ging es um Noctis’ Leben und war somit eine Art Nothilfe. Außerdem wollten wir den Mann ja nicht schädigen. Im Gegenteil: Er würde seine Münzen gewissenhaft gereinigt zurückbekommen. Mehr Gedanken machte ich mir um den Besitzer der Droschke, den Julie vor ein paar Minuten um sein Eigentum erleichtert hatte. Es würde wohl mehrere Tage dauern, bis ihn die Polizei ausfindig gemacht hatte, um ihm das Fuhrwerk zurückzugeben. Und ein paar Tage konnten für jemanden, der sein Gefährt für den Broterwerb benötigte, sehr lang
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