Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
sich letzten Endes alles zufriedenstellend entwickelt. Wenn es ihm jetzt noch gelänge, das Schlachtfeld ohne schwere Verletzungen zu verlassen, könnte er als Held heimkehren. Und wer würde sich dann noch das Maul über eine alte Geschichte mit einer billigen Hure zerreißen?
Außerdem passte die Armee zu ihm. Jennings hatte das Gefühl, zum Soldaten geboren zu sein. Da war etwas an seiner Uniform, das ihm auf eigenartige Weise vertraut war. Es mochte am Schnitt liegen oder an dem Gefühl auf der Haut, denn wann immer er den Rotrock trug, schien Jennings sich gleichsam zu verwandeln. Die Uniform schmeichelte seiner Figur. Zwar war er kein muskulöser Mann und auch nicht athletisch gebaut im herkömmlichen Sinne, aber der scharlachrote Rock von Farquharsons Regiment verlieh ihm ein schneidiges Auftreten. Es stimmte, ein Mann wie Jennings sah wie ein Soldat aus, und natürlich füllte er diese Rolle auch aus.
Im Verlauf der zurückliegenden Monate hatte er sich seine eigene Kriegsphilosophie zurechtgelegt. Von Natur aus, so hatte er es auch bei anderen Offizieren gesehen, mied er die gefährlichsten Stellen einer Schlacht. Warum sich selbst opfern, wo gute Offiziere wie er stets Mangelware waren? Nein, er musste der Truppe erhalten bleiben. Sollten sich doch die einfachen Soldaten ins Getümmel werfen. Dazu waren sie schließlich ausgebildet. Sie waren entbehrlich. Abschaum. Nicht mehr als Dreck aus der Gosse. Aber Offiziere wie er waren dünn gesät.
Jennings wusste, dass man zum Offizier geboren wurde, und daher ließ er sich immer wieder von seinem Sergeant, einem moralisch verdorbenen ehemaligen Wegelagerer, bestätigen, dass die Männer zu ihm aufschauten. Seinen Sergeant tolerierte er nur, weil dieser ihm wie ein unterwürfiger Hund folgte, wenn er sich nicht gerade bei Huren herumtrieb. Die Männer aus dem Regiment, die nicht zu ihm aufschauten, ließ er leiden, bis sie sich fügten. Entweder das, oder sie würden sterben.
Die anderen Sergeants, die er kannte, erwiesen ihm keinen Respekt, aber sie akzeptierten ihn trotzdem als Offizier, und das reichte ihm. Die Offizierskameraden sah er mit gemischten Gefühlen. Die meisten waren unzuverlässige Freunde, die ihr Fähnlein in den Wind hängten. Was die jüngeren Offiziere betraf, so konnte Jennings sie alle mit seinen Heldentaten in den Bann ziehen. Den älteren Offizieren hingegen vermochte er mit Schmeicheleien Honig um den Bart zu schmieren.
Nur ein Offizier beunruhigte ihn. Denn Steel war anders. Steel war ein Problem. Ein Problem, das er einfach nicht verstand. Und wenn Jennings etwas nicht begreifen konnte, gab es für ihn nur zwei Lösungen: Entweder, er ignorierte das Problem, oder er schaffte es aus der Welt.
Steel hingegen hatte Jennings seit dem Eintritt ins Regiment stets gemieden, hatte sich bewusst von ihm ferngehalten. Da Major Jennings ein ranghöherer Offizier war, musste man seine Befehle beachten, obwohl es gerade den Grenadieren erlaubt war, unter sich zu bleiben und auf eigene Faust zu handeln. Steel hatte immer gehofft, das rechte Maß Anstand möge genügen, um einer Konfrontation mit Jennings aus dem Weg zu gehen, bis einer von ihnen in der Schlacht fiel oder in ein anderes Regiment versetzt würde.
Jetzt schien es so, als hätte er diese Hoffnung vergeblich gehegt.
Steel vernahm Jennings’ Prahlereien, kaute auf einem Stück Tabak und versuchte, die Lügengeschichten nicht an sich herankommen zu lassen. Aber an diesem Morgen konnte er dem Major nicht aus dem Weg gehen. Sein Unmut wuchs.
»… und da stürzte sich ein hünenhafter französischer Lieutenant auf mich. Ich wehrte den Hieb ab, stieß zu und … touché. Wieder war ein Günstling König Ludwigs vor seinen Schöpfer getreten …«
Jennings schlug krachend mit der Faust auf den Tisch.
Steel spie den Kautabak auf den schmutzigen Boden und raunte: »Ich wünschte, ich könnte ihn zu seinem Schöpfer schicken.«
Hansam lächelte und begegnete Steels wütendem Blick mit einer hochgezogenen Braue. »Jack, du wirst dich doch wohl beherrschen können. Hast du etwa vor, das Verhalten unseres tapferen Majors infrage zu stellen?«
»Du warst in meiner Nähe. Hilf mir auf die Sprünge. Wo war denn unser guter Major Jennings, als wir bei den Schanzkörben kämpften? Er stand am Fuße der Anhöhe, bei den Fahnen und dem Rest des Regiments. Eins sag ich dir: Er zieht das Andenken unserer gefallenen Kameraden in den Dreck. Wir beide, du und ich, wir sind nicht vierhundert Meilen
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