Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
Slaughter gehörte, Steels Sergeant. Der eins neunzig große Nordengländer mit dem lückenhaften Gebiss und den kräftigen Gliedmaßen war der einzige Mann in der Kompanie, der noch größer und breitschultriger war als Steel. Slaughter hatte sich in die Armee geflüchtet, um nicht in den Kohleminen im County Durham schuften zu müssen. Der Hüne litt unter Platzangst, fürchtete sich vor der Dunkelheit und war in jeder Hinsicht bejammernswert unbeholfen. Doch auf dem Schlachtfeld verwandelte er sich in einen so gnadenlosen, kaltblütigen Kämpfer, wie Steel es noch bei keinem anderen Mann erlebt hatte. Slaughter war ein Soldat, wie man ihn sich an seiner Seite wünschte, wenn die Welt sich in eine kochende Brühe aus Blut und Tod verwandelte.
Steel begrüßte den Sergeant mit einem Lächeln. »Was ist das für eine Frage, Jacob? Der Colonel glaubt nicht an unseren Sieg, er weiß , dass wir siegen. Er hat dieses Regiment aufgestellt – ein Regiment, das seinen Namen trägt und das er aus eigener Tasche bezahlt hat. Er will, dass wir die beste Einheit der ganzen Armee werden. Bei dem Angriff, der uns bevorsteht, wird nicht nur unser Leben auf dem Spiel stehen, sondern auch das Geld und der Stolz des Colonels. Er braucht die ehrenvolle Erwähnung seines Regiments in der Schlacht. Und es liegt an uns, dass er sie bekommt.«
»Wird es denn noch lange dauern, bis der Angriff losgeht, Sir? Ich könnte jetzt schon einen kräftigen Schluck gebrauchen.«
»Bei Gott, Jacob, Euer Durst nimmt wirklich keine Rücksicht auf Ort und Zeit. Wir stehen kurz vor dem gefährlichsten und wahrscheinlich letzten Einsatz unseres Lebens, und Ihr erzählt mir, dass Ihr einen zur Brust nehmen wollt. Glaubt mir, Sergeant, wir werden mehr als genug Bier und Wein bekommen, wenn wir die verdammte Stadt eingenommen haben. Macht Euch keine Sorgen. Ich werde Euch höchstpersönlich ein Fässchen vom besten Moselwein kredenzen.«
»Ihr seid ein wahrer Gentleman, Mr. Steel, und ich nehme Euch beim Wort. Aber ich hätte lieber ein Fass deutsches Bier als irgendeinen verdammten Wein, wenn’s recht ist.«
Er verstummte, als er eine plötzliche Bewegung neben den Reihen der angetretenen Soldaten bemerkte.
»Sieht so aus, als wenn’s gleich losgeht.«
Als Steel dem Blick seines Sergeanten folgte, sah er einen Reiter. Ein junger Fähnrich der Kavallerie preschte auf einer hübschen schwarzen Stute die Linien entlang. Brachte er die Einsatzbefehle? Es wäre höchste Zeit. Seit drei Uhr morgens waren Steel und seine Männer marschiert, bis sie den Befehl erhalten hatten, hier am Hügel Stellung zu beziehen. Inzwischen war es sechs Uhr am späten Nachmittag. Die Männer wurden allmählich unruhig. Eine weitere Verzögerung konnte verhängnisvoll sein. Wenn sie noch länger warten mussten, würden sie den Mut verlieren.
Steel ließ den Blick schweifen. Weit unterhalb des Hügelhangs sah er die geballte Masse der Hauptarmee, Regimenter, Bataillone und Schwadronen, darunter die zehn anderen Kompanien, die zu seinem eigenen Regiment gehörten.
Flaggen und Banner flatterten an Lanzenspitzen hoch über den dicht stehenden Reihen der Männer in Rot, Blau, Grau, Braun und Grün, als die Befehlshaber der alliierten Truppen – der Großen Allianz – ihre Einheiten zusammenzogen, um in die Lücke vorzustoßen, die Steels Männer und die anderen Angriffstruppen reißen sollten.
Wieder einmal musste Steel darüber staunen, was für eine bunt zusammengewürfelte Truppe sie waren: Engländer, Schotten, Iren und eine beinahe widernatürliche Union von Holländern und Hessen, Preußen und Dänen. Kein Wunder, dass ein babylonisches Sprachgewirr herrschte. Ging man durch das Lager, so konnte man beobachten, wie die Männer sich mittels Zeichensprache verständigten. Manche sprachen Patois, das Französisch des gemeinen Volkes. Steel hatte die Feststellung gemacht, dass man sich in diesem bunt gemischten Heer ironischerweise am besten auf Französisch verständigen konnte – also ausgerechnet in der Sprache des Feindes. Er fragte sich nur, wie stark der Zusammenhalt unter den Verbündeten sein mochte, sobald sie unter Feindbeschuss gerieten. Dass der Herzog von Marlborough die englischen Truppen im Griff hatte, stand außer Zweifel. Aber würden sich auch die ausländischen Verbündeten von einem Engländer befehligen lassen? Dennoch kam Steel nicht umhin, den Anblick des Heeres zu bewundern.
»Ein großartiges Bild, Jack, nicht wahr?«
Steels Offizierskamerad,
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