Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
zugleich ausreichend kenntlich für die eigenen Leute sein, sodass man nicht von den eigenen Kameraden ins Jenseits befördert wurde.
»Hast schon recht, Henry. Aber der Hut sorgt immerhin dafür, dass die eigenen Leute mich erkennen.«
Hansam lachte. Beide Männer wussten, dass die eigenen Kameraden Steel schwerlich verwechseln konnten, ob mit oder ohne Hut, denn er trug keine Perücke, wie es Mode war, sondern ließ seine Haare wachsen und schnürte sie im Nacken mit einem schwarzen Band zusammen. Das war auf dem Schlachtfeld praktischer, wie er aus Erfahrung wusste.
»Donnerwetter.« Hansam zeigte auf die angetretenen Soldaten. »Offenbar stehen wir unter Befehl.«
Steel sah, dass der Reiter nun die höheren Offiziere der Stoßtruppen erreicht hatte. Sie waren von ihren Pferden gestiegen, um den Angriff zu Fuß anzuführen, wie es üblich war. Steel konnte Major-General Henry Withers und Brigadier-General James Ferguson erkennen, die Kommandeure der englischen beziehungsweise schottischen Truppen des Angriffsheeres. Neben ihnen stand die entschlossene Gestalt von John Goors, ein Offizier mittleren Alters, der die holländischen Pioniere befehligte und von dem man wusste, dass er ein Gegner des Markgrafen von Baden war, dem Oberbefehlshaber der Angriffstruppen.
Die Offiziere hatten sich in der Nähe des »verlorenen Haufens« versammelt, einem Trupp von ungefähr achtzig Mann, allesamt Freiwillige aus Steels altem Regiment, den First Foot Guards. Die undankbare Aufgabe dieser Männer bestand darin, wie der Name bereits andeutete, als Erste bis an die Verteidigungsanlagen des Feindes vorzudringen, um festzustellen, wo der Feind am stärksten war – eine Mission, die meist mit dem Leben bezahlt wurde. Kurz und knapp: Diese Männer zogen das feindliche Feuer auf sich. Die meisten von ihnen würden sterben. Die Überlebenden jedoch würden Ruhm ernten und reichlich belohnt werden. Sie wurden sogar zu Unsterblichen. An der Spitze dieser Truppe sah Steel den hochgewachsenen, gut aussehenden Lord John Mordaunt, der eine Zeit lang zusammen mit Steel gedient hatte. Steel wusste, dass Mordaunt im Jahr zuvor vergeblich um die Hand von Marlboroughs Tochter angehalten hatte. Vielleicht war die Ehre, die »Verlorenen« zu führen, eine selbst auferlegte Strafe für diesen amourösen Fehlschlag, oder Mordaunt sah darin die letzte Chance, die Bewunderung jenes Mannes zu erlangen, den er gerne zum Schwiegervater gehabt hätte.
Von rechts näherte sich eine Schwadron englischer Dragoner den Stoßtruppen. Steel sah, dass jeder Reiter zwei dicke Packen vor sich auf dem Sattel trug: Reisigbündel, die mit Stricken zusammengebunden waren, sogenannte Faschinen. Die Dragoner schwärmten aus, ritten zwischen den Reihen der Grenadiere hindurch und reichten jedem Mann eine der Faschinen, auch den Offizieren. Als auch Steel eine Faschine bekam, stellte er fest, wie unhandlich sie war. Aber Faschinen waren die wichtigsten Hilfsmittel, um den breiten Verteidigungsgraben zu überwinden, der ihnen den Weg zur Hügelkuppe verwehrte. Dicht hinter dem Graben befanden sich die feindlichen Brustwehren.
Mehrere Donnerschläge ließen Steel herumfahren. Auf einer Anhöhe hinter den eigenen Truppen standen zehn Kanonen, die soeben gefeuert hatten, sodass Flammenzungen aus den Mündungen leckten. Die Kanonen bildeten die alliierte Artillerie, die unweit eines Dorfes Stellung bezogen hatte, das die Franzosen niedergebrannt hatten, um den Transport der Geschütze zu erschweren. Zehn Kanonen, dachte Steel. Mehr hatten sie nicht, um die Verteidigungsanlagen zu schwächen, die ihnen den Weg zur Festung verwehrten. Die Kanonenkugeln zischten über die Köpfe der Männer hinweg und verschwanden hoch oben in der feindlichen Stellung. Wenigstens schien irgendjemand im Oberkommando zu versuchen, den Angriffstruppen den Durchbruch zu erleichtern.
Am Fuße des Schellenbergs, in der Sicherheit des gegenüberliegenden Flussufers, nahmen die Soldaten der Hauptarmee Aufstellung: Engländer, Schotten, Holländer und die Männer aus Hessen und Preußen, die sich ihnen in Koblenz angeschlossen hatten. Steel beobachtete die Truppenbewegungen, während die Abendsonne die grünen Hügelhänge und die braune Linie der aus Weiden geflochtenen Schanzkörbe beleuchtete. Schon bald, das wusste Steel, würde diese idyllische Wiese sich in einen blutigen Totenacker verwandeln.
Instinktiv, mit dem Auge des Veteranen, schätzte Steel ab, wie weit sie vorrücken mussten, um
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