Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
Kanone, hoch oben auf dem Wall, die inzwischen auf die Flanke der Angreifer zielte. Aber weiter rechts von der Festung konnte Steel nur hastig aufgeschüttete Erdarbeiten sehen. Sicher befanden sich auch dort Truppen, noch mehr Infanterie in weißen Uniformen. Aber es konnte sich nur um eine Rumpfmannschaft handeln, wenn er nicht ganz falschlag. Ein Plan reifte in seinem Kopf. Vielleicht …
Schnell schaute er sich nach Slaughter um. »Jacob, sagt den Männern, sie sollen mir nach. Sie sollen die Mützen abnehmen, die Köpfe einziehen und mir einzeln hintereinander folgen. Wir stoßen nicht weiter vor, wir halten uns seitlich. Zuerst folgen wir dem Verlauf dieser Senke. Hier können sie uns nicht so leicht sehen. Aber ich weiß, wo sie stecken. Wir werden den Franzosen eine kleine Überraschung bereiten.«
Sein Sergeant grinste. Er hatte sofort erkannt, was Steel beabsichtigte, und gab den Befehl weiter. Derweil winkte Steel Truman zu sich.
»Geht und sucht Mr. Hansam. Sagt ihm, wir bleiben hier im Graben. Wir werden die Franzmänner an der Flanke nehmen. Er wird schon wissen, was ich meine. Beeilung! Und sagt ihm, er soll den Kopf einziehen. Auch seine Männer sollen die Mützen abnehmen.«
Langsam, den Kopf immer schön unten haltend, folgte Steel dem Verlauf des Grabens. Als er sich umdrehte, sah er, dass die Grenadiere ihm dicht auf den Fersen waren. Nach etwa zwanzig Metern knickte der Graben scharf ab, den Hügel hinab, in Richtung Armee der Großen Allianz. Steel durchzuckte es heiß. Und wenn er sich nun geirrt hatte? Was, wenn dieser Graben gar nicht parallel zu den Befestigungen verlief, wie er vermutet hatte, sondern von den Franzosen und der Schlacht wegführte? Was dann? Würde er der Desertion bezichtigt? Vor ein Kriegsgericht gestellt? Ihm brach der Schweiß aus. Aber er durfte jetzt nicht verharren; er musste seinen Plan verfolgen, ganz gleich, wie die Folgen wären. Er würde alle Schuld auf sich nehmen und Hansam entlasten. Den schrecklichen Vorwurf der Desertion im Angesicht des Feindes würde er allein verantworten müssen.
Auf dem rutschigen Untergrund verlor Steel den Halt und fluchte. Bei dem gebückten Laufen taten ihm schon die Oberschenkel und der Rücken weh. Für die verhältnismäßig kurze Distanz schienen sie eine halbe Ewigkeit zu brauchen. Endlich, nach ungefähr achtzig Metern, kamen sie an eine weitere Kreuzung. Steel erkannte, dass der Graben nach links verlief, die Anhöhe hinauf zu den französischen Linien. Halblaut dankte er dem Allmächtigen und hörte ein gerauntes »Gott sei Dank« von Slaughter, der dicht hinter ihm war.
Sie folgten dem neuen Graben und spürten die Steigung des Geländes. Nach weiteren fünfzig Metern endete der Graben abrupt. Damit hatte es sich dann. Steel drehte sich um, immer noch in gebückter Haltung, und bedeutete den Männern, unten zu bleiben. Hier war es ein wenig leiser, etwas abseits der Kanonade, die nach wie vor am linken Flügel der Angreifer einen hohen Tribut forderte. Steel bedeutete den Männern mit einem Handzeichen, die Musketen auf den Rücken zu schnallen, die Taschen aufzumachen und zwei oder drei Granaten herauszuholen. Durch Zeichensprache vermittelte er seinen Leuten, dass sie die Zündschnur mit der langsam abbrennenden Lunte, die jeder Mann am Bandelier trug, in Brand setzen sollten, sobald sie in Wurfweite des Feindes wären. Steel kroch zur südlichen Böschung des Grabens und spähte über den Rand. Wie nicht anders erwartet entdeckte er keine zweihundert Meter den Hügel hinunter die Federbüsche und Pferde der alliierten Befehlshaber, die sich ihrerseits in einer ähnlichen Senke verbargen.
Steel winkte einem der Grenadiere, einem Mann namens Pearson. Er war der schnellste Läufer der Kompanie.
»Lauft zu Marlborough. Er ist dort unten, seht Ihr? Sagt ihm, wir haben eine Lücke in der Verteidigungslinie gefunden. Sagt ihm weiter, dass ich angreifen werde und der Weg frei ist. Habt Ihr verstanden? Der Weg ist frei.«
Der junge Mann nickte, kletterte aus dem Graben und lief kurz darauf zu den alliierten Linien. Steel kroch wieder zur anderen Böschung des Grabens. Dann holte er tief Luft, stand auf, zog sich auf die Böschung, setzte einen Fuß auf die Grasnarbe, sprang aus dem Graben und richtete sich zu voller Größe auf. Keine zehn Meter trennten ihn noch vom Verlauf der grob geflochtenen Schanzkörbe jenseits eines flachen Grabens – eine kritische Distanz. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass sie so dicht an
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