Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
Lieutenant Henry Hansam, trat neben ihn und hielt ihm eine silberne Dose mit Schnupftabak hin.
»Möchtest du?«
Steel winkte ab. Hansam schnupfte eine kräftige Prise, ehe er fortfuhr: »Aber das wird uns nichts nützen. Da oben auf dem Hügel sind wir allein. Man erwartet ein Wunder von uns, Jack, nichts weniger.«
Er nieste laut, zog ein seidenes Taschentuch aus dem Ärmel und wischte sich die Nase ab.
»Was glaubst du, Henry?«, fragte Steel. »Können wir es schaffen? Können wir dieses Wunder vollbringen?«
»Man hat uns jedenfalls nicht umsonst ausgewählt. Wenn wir die Festung nicht einnehmen können, dann schafft es auch kein anderer. Wir sind die Elite, mein Freund. Fünfundvierzig mal einhundertdreißig Mann, ausgewählt aus jedem englischen und schottischen Bataillon, das an diesem Feldzug teilnimmt. Der Herzog selbst hat bei der Auswahl ein Wort mitgesprochen. Sir James schickt natürlich nur seine Grenadiere ins Feld, und warum auch nicht? Schließlich wurden die Grenadiere für genau solche Einsätze geschaffen. Wir sind die Soldaten der Stoßtruppen. Wir haben die Körpergröße, die Beweglichkeit und die Kraft. Und bei Gott, Jack, wir haben den Mumm, diese Aufgabe zu bewältigen.«
Steel blickte zu den Grenadieren hinüber. Sie waren hünenhafte Männer, einer wie der andere. Keiner von ihnen war kleiner als eins achtundsiebzig. Auch sie waren ausgewählt worden – wegen ihrer Erfahrung, ihrer Geschicklichkeit im Umgang mit Waffen, ihrer Schnelligkeit und ihrer Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Handeln.
Sie alle gemeinsam bildeten die beste Infanterietruppe in der Armee von Queen Anne. Bald würde er, Steel, diese Männer den Hügel hinauf zum Angriff führen und hinein in die Festung. Vielleicht in den Tod, vielleicht zum Ruhm und zu der Aussicht auf eine hübsche Prämie. Als Steel erneut zur dunklen Masse der Festung hinaufblickte, lief ihm vor Anspannung ein eisiger Schauer über den Rücken. Rasch wandte er den Blick ab und tat so, als würde er seine Schärpe straffen. Hansam nahm eine weitere Prise Schnupftabak, nieste erneut und rieb sich die Nase mit dem schmutzigen Seidentuch ab.
Wie Steel bekleidete auch Hansam den Rang eines »Second Company Lieutenant«, den es nur bei den Grenadieren gab. Da Colonel Farquharson den zusätzlichen Sold für den nominellen Befehl über Steels Kompanie in die eigene Tasche steckte, blieben Steel und Hansam der Rang und die Besoldung eines Captains verwehrt. Außerdem hatten sie keine untergeordneten Offiziere. Ihr letzter Fähnrich, ein schwächlicher Knabe von fünfzehn Jahren, hatte sie in Koblenz verlassen; er war aufgrund einer chronischen Ruhr wegen Dienstuntauglichkeit aus der Armee entlassen worden. Bis jetzt hatten sie noch keinen Ersatz bekommen.
Steel sagte leise: »Immerhin gibt es die Prämie.«
Hansam hob die Augenbrauen.
»Natürlich, Jack. Die Männer kämpfen nicht nur aus Liebe zur Königin und zum Vaterland. Nicht einmal aus Liebe zum Herzog, da dürfen wir uns nichts vormachen. Sorg dafür, dass die Männer zufrieden sind, und sie werden kämpfen. Oh ja. Sie werden kämpfen. Für die Prämie.«
»Ich hatte eigentlich unseren eigenen Anteil gemeint, Henry.«
»Oh.« Hansam stockte; dann grinste er. »Natürlich, mein Freund. Auch wir werden Kasse machen. Weißt du, ich habe nie richtig begriffen, weshalb ein Mann wie du, der so wenig Geld hat und so genügsam ist, bei den Foot Guards angefangen hat. Obwohl ich jetzt verstehen kann, weshalb du aus diesem illustren Regiment ausgeschieden bist und dich lieber unserem fröhlichen Haufen angeschlossen hast.«
Steel nickte. Hansam, der noch immer lächelte, fuhr fort: »Sag mal, Jack, kann ich dich dazu überreden, mich zu einem guten Schneider in London zu begleiten, falls wir überleben? Du müsstest dich mal sehen, alter Junge. Du meine Güte, allein schon dein Hut …«
Steel blickte auf seinen Hut hinunter, den er in Händen hielt. Im Unterschied zu vielen Grenadieroffizieren trug er keine Grenadiersmütze, sondern zog seinen zerbeulten schwarzen Dreispitz mit dem goldenen Besatz. Meist kämpfte er sogar barhäuptig. Außerdem hätte ihn, den mit eins fünfundachtzig zweitgrößten Mann der Kompanie, ein Grenadierhut eher komisch als Furcht einflößend aussehen lassen. Und seine zwölf Jahre als Soldat hatten ihn gelehrt, dass man als Offizier bessere Überlebenschancen hatte, wenn man sich dem Feind nicht zu offensichtlich als Ziel zu erkennen gab. Allerdings musste man
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