Stefan George - Karlauf, T: Stefan George
erinnerte ausser Dir!!!«, schrieb er im August 1888 an Stahl. »Jemand der diese meine zeilen gelesen, und sich nach einiger zeit erinnert, wie jene kreatur, die von poesie und dramen schrieb, die von einem dichterwahn geplagt war, mit zerschnittenen flügeln als – hu – ich will den satz nicht fertig schreiben – -« 2 Als Gescheiterter zu enden, zurechtgestutzt und dem Gespött ausgesetzt wie Baudelaires »Albatros«:
Georges Angst zu versagen hilft manche schrillen Töne in seinen frühen Briefen erklären.
Ende August 1890 missbilligte Rouge in einem siebenseitigen, eng beschriebenen Brief, dass George seine neuen Gedichte nicht, wie es bisher zwischen ihnen üblich gewesen sei, auch Stahl zur Begutachtung vorgelegt habe. Georges Einwand, die Gedichte seien nur von Eingeweihten zu verstehen, von Menschen, die der dichterischen Sphäre angehörten, könne er, Rouge, nicht gelten lassen. »Da anscheinend nach Deiner Ansicht die Leute der ›Sphaere‹ als solche geboren werden (ich schließe das daraus, dass du zu glauben scheinst, sie könnten nicht erzogen werden), so wäre es doch möglich, dass Stahl zu diesen ›Geborenen‹ gehört: also, warum ihn excludieren? Im Gegenteil, ich fordere für ihn die Mitteilung Deiner Opera, da litterar [isches] Eigentum Allgemeingut ist.« 3 Dann zitierte Rouge aus einem Brief an Stahl über sein letztes Treffen mit George:
Er hat nämlich die fixe Idee – oder vielleicht ist es auch mehr als eine fixe Idee – jedes Kunstwerk sei nur für eine bestimmte Sphaere geschaffen, könne nur von dieser richtig gewürdigt werden. Das ist gewiß teilweise ganz richtig, andererseits aber doch wahrscheinlich lächerlich übertrieben, denn wo bliebe da die Kritik? So wäre es vielleicht viel besser gewesen, George hätte mir seine Gedichte ohne jegliche Vorbemerkung zu lesen gegeben, als daß er sie mir mit vielen Praeambeln vorlas , eine Communicationsweise, die vieles verloren gehen lässt. Jetzt, wo ich die Werke Etiennes schriftlich vor mir habe, sehen sie mir gar nicht mehr so »neu« aus, als er ausposaunte, gar nicht so sehr verschieden von seiner früheren Weise.
Vor allem im Detail hatte Rouge vieles zu bemängeln. Manches verstand er nicht – so etwa den Titel des Gedichts »Neuländische Liebesmahle« -, anderes empfand er als gewollt. Er tadelte unklare Bezüge, äußerte sich befremdet über die »romanesken Velleitäten« und bemängelte die spärliche Zeichensetzung. Rouges Vorschläge zielten auf ein besseres Verständnis der Gedichte, und George hat vieles übernommen. 4 Was ihn irritierte, war der schulmeisterliche, geradezu rüde Ton, in dem Rouge seine Kritik vorbrachte. Er »finde wahrhaftig keine unbekannte Sphaere in deinen Gedichten«, betonte der Schulfreund mehrfach und forderte George auf, sich zu den fraglichen
Stellen zu äußern. »Du kannst Deine Freundschaft beweisen, indem Du mich genau aufklärst: aber komme mir nicht mit Aufklärungen aus der besonderen ›Sphaere‹!!«
Nachdem das Verhältnis zwischen George und Stahl bereits zu Jahresanfang abgekühlt war, zogen jetzt auch über der Freundschaft mit Carl Rouge düstere Wolken auf. Da er nur sprachliche Kriterien gelten lassen wollte und eine Berufung des Dichters auf andere als philologische Instanzen ablehnte, stellte er Georges Auffassung, Dichtung entstehe aus einer bestimmten Haltung, die auch der Leser seinerseits mitzubringen habe, elementar in Frage. Damit waren, gut drei Monate vor Erscheinen von Georges erstem Gedichtband, die Fronten klar. Rouge hatte als Erster jenen Grundvorbehalt formuliert, der in den folgenden Jahren regelmäßig und nach der Schaffung des Maximin-Mythos verstärkt gegen George und sein Werk vorgebracht werden sollte.
George reagierte trotzig: »Dank Deiner frohlockenden unterstrichenen kritik. Aber die forderung heisst: hinnahme und abnahme zuallererst, den meisterer wird der Meister immer finden.« Zwar ist im Antwortentwurf die menschliche Enttäuschung, ja Trauer spürbar. »Ist es so lange her dass wir in denselben rythmen sangen viel und innig?« Aber in seiner Überzeugung, dass seine Dichtung eine Revolution darstelle, ließ sich George durch Rouge nicht beirren. »Auf dem was Dir schlecht ist will ich ja weiterbauen, dein gutes als kindlich abstreifend für und für. Und des mannes vollendung in der Kunst wird hiernach streben: So sei sein werk dass du es tadelst vom ersten laut bis zum lezten laut. Wie verloren also Deine hinweise, besserung und
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