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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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vor allem mühe.« 5 Noch deutlicher wurde George acht Wochen später in einem Brief an Arthur Stahl, in dem er sich gegen den Vorwurf wehrte, er werde zur »Sphinx«:
    Liebe – ehemals – freunde! Ihr seid geblieben wie Ihr wart, was Ihr macht machten wir schon ebenso vor einigen jahren Euch muß ich also nicht erforschen. Als ich aus England zurückkam erinnert Euch / begann ich eine umwälzung durchzuringen Wenn ich nun sage – und ich war doch in Eurem aug ein hohler reder nie – ich suche andere bahnen wie kann geringer Eure aufgabe sein als: hören / denken / fragen? 6

    Bei allen Divergenzen im Dichterischen suchte George an der Beziehung festzuhalten. Seit langem sei es sein liebster Gedanke, dass sie sich zu dritt »noch einmal im verein« sehen und dabei, wie man wohl hinzufügen darf, alle Misshelligkeiten ausräumen könnten. Zu einem solchen Treffen, von den Freunden gern Kongress genannt, war es in den zweieinhalb Jahren seit dem Abitur trotz zahlreicher Anläufe niemals gekommen. Auch wiederholte George seinen Vorschlag, dass Rouge und Stahl das Wintersemester doch gut in Berlin statt in München studieren könnten. »Dies ist vielleicht das letzte jahr das ich mich noch in Deutschland aufhalten kann / längere frist sieht uns nie wieder zusammen und soll ich fragen ob Ihr mich gekränkt und ich bitter sein darf wenn Ihr so leicht redend mich abfertigt …« Dass die beiden wichtigsten Gesprächspartner, die er in diesen Jahren hatte, auf Distanz zu ihm gingen, bedrückte George. Er fürchtete sich davor, sie zu verlieren, und streckte die Hand zur Versöhnung aus. Rouge und Stahl hatten sich jedoch bereits für München entschieden, und die von George erhoffte große Aussprache zu dritt kam wieder nicht zustande.
    Die Intensität der Korrespondenz ließ in den folgenden Monaten deutlich nach. Ende 1890 bat George Stahl, ihm beim Verkauf der Hymnen in München behilflich zu sein. Es handele sich zwar um einen Privatdruck, »in erster linie für meine freunde«, aber es sei doch gut, wenn der Band in den großen Städten ausliege, »um entfernten bekannten und ganz besonderen interessenten den besitz zu ermöglichen … Vielleicht wird kein exemplar verkauft aber was verschlägt es, dagewesen soll es sein.« 7 Ob sich in München mehr ausrichten ließ als in Berlin? Dort wurde von Georges Erstling sage und schreibe ein einziges Exemplar verkauft. 8
    Als George im Spätsommer 1891 die Pilgerfahrten zum Druck vorbereitete, war Rouges kritisches Urteil erneut gefragt. Um sich seinen Einwürfen und Fragen nicht noch einmal direkt auszusetzen, ließ George die Korrespondenz jetzt durch seinen Mittelsmann Klein führen. Rouge nahm kein Blatt vor den Mund. »Mit welchem Recht schreibt man ›am bodem‹?«, fragte er. »Dann doch lieber ›boden‹ und
›odem‹ reimen.« Klein, dessen Antworten mit Sicherheit von George diktiert waren, gab spitz zurück: »In dem sehr üblichen wörterbuch von Daniel Sanders« könne er nachlesen, dass das mittelhochdeutsche »Bodem« noch »heute von gebildeten leuten gesprochen« werde. »Alte Wörter wieder zu Ehren zu bringen ist ja verdienstlich«, kommentierte Rouge eine andere Stelle. »Nur dürfen sie nicht mit dem herrschenden Sprachgebrauch kollidieren.« Er kritisierte das eine und andere als »nicht sehr poetisch« und rieb sich an Manierismen wie »Schasmin«, worauf Klein konterte, so werde das Wort im Deutschen nun einmal ausgesprochen. Die Diskussion geriet immer mehr ins Absurde. 9
    1892/93 war Rouge mit Gedichten im ersten und vierten Heft der Blätter für die Kunst vertreten. Auf den letzten Seiten des ersten Jahrgangs wurden, in Ermangelung anderer Texte, unter der Überschrift »Rosen und Disteln« Gedichte von George, Rouge und Stahl aus dem Fundus der gemeinsamen Schülerzeitschrift veröffentlicht. Die Gedichte waren lediglich mit den Initialen der Nachnamen gezeichnet. Der Titel »Rosen und Disteln«, hieß es in der editorischen Notiz, sei »den meisten unsrer leser bekannt, uns selber eine liebe erinnerung«. So klein war die Leserschaft der Blätter , dass »den meisten« noch die Schülerzeitschrift in Erinnerung war! George hatte in die Schublade gegriffen und alte Manuskripte aus der Darmstädter Zeit hervorgeholt. Damit füllte er jetzt die Blätter und zog, in diesen Dingen durchaus sentimental, zugleich einen Schlussstrich unter die Freundschaft mit Rouge und Stahl. Da ihre Beziehungen zuletzt immer mehr eingeschlafen waren, sollte

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