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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Strahlen und tanzende Funken, rollende Kreise wie kleine klirrende Münzen, schmale schneidende Streifen wie glänzende Dolche, flatternde Formen ohne Deutung und Sinn, die mit springender Behendigung wie kleine schimmernde Tiere über die Bohlen sprangen. Und dieses flirrende und prickelnde Spiel hatte das Kind aus dem Schlafe geweckt, indem es wie mit seinen spitzigen Fingern an die geschlossenen Augenlider pochte, bis sie sich auftaten und blinzelten und starrten. Unruhig begann es sich auf dem Schoße des Mädchens zu bewegen, das es mit unwilliger Gebärde behütete. Aber es strebte nicht von ihr weg, sondern haschte nur ungeschickt mit seinen kleinen täppischen Händen nach diesen Funken, die es umtanzten und umspielten, ohne daß es sie fassen konnte und dieser Mißerfolg steigerte nur seine Aufmerksamkeit. Immer eiliger suchte es die kleinen dicken Finger zu bewegen, die vom sonnigen Lichte rötlich durchleuchtet die warme Flut des Blutes durchdämmern ließen, und dieses naive Spiel erfüllte die ganze kleine unfertige Gestalt mit wundersamem Liebreiz, der auch Esther unbewußt bezwang. Lächelnd und innerlich das vergebliche Bemühen überlegen bemitleidend, sah sie diesem endlosen Spiele zu, ohne zu ermüden oder sich ihres Widerwillens gegen dieses unschuldige hilflose Wesen zu erinnern. Zum ersten Mal webte ein menschliches und innig menschliches Leben für sie in diesem kleinen glatten Körper, dessen fleischige Nacktheit und stumpfe Sättigung sie bisher nur empfunden; und mit kindlicher Neugier folgte sie jeder Regung. Der alte Mann sah zu und schwieg. Mit Worten fürchtete er den Trotz und die vergessene Scham in ihr wieder wachzurufen, aber ein befriedigtes Lächeln eines, der die Welt und ihre Wesen kennt, wollte nicht weg von seinen milden Lippen. Nichts Sonderbares sah er in diesem Wechsel, sondern nur ein Berechnetes und Erwartetes, ein Vertrauen auf jene tiefrauschenden Gesetze der Natur, die nie versagen und vergessen, Wahrheit zu werden. Er fühlte sich wieder so ganz nahe einem jener ewigen, sich immer wieder erneuernden Wunder des Lebens, das aus den Kindern die hingebende Güte der Frauen mit einem Male erstehen läßt, die wieder hin zu den Kindern geht, von Werden zu Werden, und so eigene Kindheit nie verliert, sondern zweimal lebt, in sich und in denen, der sie begegnen. Und war dies nicht das Gotteswunder Marias, die Kind war, um nie Frau zu werden, sondern weiterzuleben in ihrem Kinde? Hatte nicht jedes Wunder seinen Spiegel in der Wirklichkeit und jeder erschaute Augenblick eines werdenden Lebens einen Glanz des Unnahbaren und ein Brausen des Ewig-Unverständlichen?
    Der alte Mann fühlte wieder tief jene Wundernähe, deren göttlicher oder irdischer Gedanke ihn nun seit Wochen umpreßte, ohne ihn freizugeben. Aber er wußte, daß dies eine dunkle und verschlossene Pforte war, vor der sich alles Sinnen demütig wieder wenden müsse, ohne mehr zu erringen, als einen ehrfürchtigen Kuß auf die versagte Schwelle. Und so griff er zum Pinsel, um mit Arbeit die Gedanken zu verjagen, die sich schon in düstre Wolkentiefen verloren. Wie er aber hinblickte, um der Wirklichkeit das Nachbild abzulauschen, blieb er für einen Augenblick gebannt. Denn ihm war, als sei er bisher mit seinem Suchen in einer Welt gegangen, die von Schleiern umhangen war, ohne daß er es wußte, und nun erst glühte sie ihm in ihrer unmittelbaren Kraft und Verschwendung entgegen. Vor seinen Augen lebte das Bild, das er gesucht. Mit leuchtenden Augen und haschenden Händen wandte sich das blühende gesunde Kind dem Lichte entgegen, das seinen nackten Körper mit einem mattschimmernden weichen Glanz übergoß und ihm so seraphischen Schein verlieh. Und über diesem spielenden Haupte ein zweites, das sich zärtlich betrachtend niederneigt und selbst gleichsam von dem Glanze erfüllt ist, den dieser helle lichterfüllte Körper ausstrahlt. Und schmale kindhafte Hände, die behütend zu beiden Seiten warten, um alles Unheil und Verderben von diesem Kinde abzuwehren. Und über dem Haupte ein flüchtiger Glanz, der sich in den Haaren verfangen hat und gleichsam von ihnen auszustrahlen scheint wie ein inneres Licht. Sanfte Bewegung, vereint mit tändelndem Licht, Unbewußtheit mit noch träumender Erinnerung, alles rann zusammen in ein flüchtiges und schönes Bild, das nur hingehaucht schien und aus gläsernen Farben geschaffen, die ein Augenblick jäher Bewegung zerschmettern kann.
    Wie eine Vision sah der alte Mann

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