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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Kleinigkeiten für diesen göttlichen Stier, der, ein anderer Jupiter, Europa umarmen will, die ganze Weibwelt in jeder Form und Entformung, in jeder Gestalt und in jedem Gerippe – maßlos neugierig ebenso auf das Phantastische wie auf das Natürliche in seiner panischen und fast schon manischen Lust. Aber typisch für das Männliche dieser Erotik: so ständig und stürmisch ihre Blutwelle strömt, niemals überflutet sie dabei das natürliche Bett. Brüsk hält Casanovas Instinkt an der Geschlechtsgrenze inne. Ekel schüttelt ihn bei der Berührung eines Kastraten, mit dem Stock prügelt er Lustknaben weg; alle seine Umwegigkeiten und Perversionen gelten in merkwürdiger Treue nur immer der Weibwelt als seiner vollkommenen und eingeborenen Sphäre. Hier aber freilich kennt sein Furor keine Grenze, keine Hemmung und keinen Halt, wahllos, zahllos und ohne Unterlaß strahlt diese Begierde jeder entgegen mit der ewig trunkenen, von jeder neuen Frau neu berauschten Lustkraft eines griechischen Waldgottes.
    Gerade aber dieses Panische, dieses Rauschhafte und Naturhafte seines Begehrens gibt Casanova unerhörte Macht über die Frauen, eine Beinahe-Unwiderstehlichkeit. Mit jähem Instinkt vom Blute her spüren sie in ihm das Manntier, den brennenden, lodernden, ganz ihnen entgegengeschnellten Menschen, und sie lassen sich besitzen von ihm, weil er von ihnen vollkommen besessen ist, sie fallen ihm zu, weil er ihnen verfallen ist, und zwar nicht ihr, der einzelnen, sondern der Pluralität, der Frau in ihnen, dem Gegensatz, dem andern Pol. Hier ist endlich einer, so fühlen sie aus Intuition des Geschlechts, dem nichts wichtiger ist als wir, der nicht wie die andern, müde von Geschäften und Pflichten, verdrossen und ehemännisch, nur so zwischendurch und nebensächlich uns umwirbt, sondern einer, der uns entgegenstürzt mit der vollen, wildbachhaften Wucht seines Wesens, einer der nicht spart, sondern verschwendet, der nicht zögen und wählt. Und wirklich, restlos weiß er sich hinzugeben: den letzten Tropfen Lust aus seinem Leibe, den letzten Dukaten aus der Tasche, alles wird er immer bereit sein, für eine jede, nur weil sie Frau ist und in diesem Augenblick seinen Weibsdurst stillt, unbedenklich hinzuopfern. Denn Frauen glücklich zu sehen, selig überrascht, entzückt, lachend und hingerissen, ist für Casanova Endgenuß alles Genießens. Er überhäuft, solange er noch Geld hat, eine jede mit zärtlich gewählten Geschenken, schmeichelt mit Luxus und Leichtsinn ihren Eitelkeiten, er liebt, sie üppig zu kleiden, in Spitzen zu hüllen, ehe er sie nackt enthüllt, sie zu überraschen mit nie gesehenen Kostbarkeiten, sie zu überraschen mit Sturzwellen der Verschwendung und Flammenspiel der Leidenschaft – wirklich ein Gott, ein schenkender Jupiter, der zugleich mit der Glut seiner Adern auch mit goldenem Regen die Geliebte überströmt. Und daß er, auch hierin Jupiter gleich, dann bald wieder in Wolken entschwindet – »ich habe die Frauen rasend geliebt, aber ich habe ihnen stets die Freiheit vorgezogen« –, das mindert nicht, nein, erhöht nur seinen Nimbus, denn gerade durch das Gewitterhafte seines Einbruchs und Entschwindens bleibt ihnen Erinnerung an diesen Einen und Außergewöhnlichen, das unwiederholbare herrliche Abenteuer, und ernüchtert sich nicht wie bei andern zu Gewohnheit und banaler Beischläferei. Jede dieser Frauen fühlt instinktiv einen Mann wie diesen unmöglich als Gatten: nur als an den Liebhaber, den Gott einer Nacht, wird sie sich seiner im Blute erinnern. Obwohl er jede verläßt, wird keine ihn doch anders wollen, als er gewesen: darum braucht Casanova nur genau so zu sein, wie er ist, also ehrlich in seiner ungetreuen Leidenschaft, und er wird jede gewinnen.
    Ich sagte eben: ehrlich, ein bei Casanova erstaunliches Wort. Aber es hilft nichts: gerade im Liebesspiel muß man diesem abgestraften Falschspieler und gerissenen Gauner eine Art Redlichkeit zuerkennen. Casanovas Beziehung zu den Frauen ist wirklich ehrlich, weil bloß bluthaft, bloß sinnlich. Beschämend, dies zu vermerken, aber immer beginnt ja die Unwahrhaftigkeit in der Liebe erst mit der Einmengung höherer Gefühle. Der dumpfe brave Bursche Körper selbst lügt nicht, er übertreibt niemals seine Überspannungen und Begehrlichkeiten über das naturgemäß Erreichbare hinaus. Erst wenn der Geist und das Gefühl sich einmengen, sie, die ihrem beflügelten Wesen gemäß ins Grenzenlose führen, wird alle Leidenschaft

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