Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
Vom Netzwerk:
hier die freie Frau geführt, und kaum daß der seelische Kampf mit dem Manne sich tragisch entspannt, so erwächst ihr schon die andere Not, nämlich ihr Kind, ihren rasch aufwachsenden, gleichfalls vom Instinkt der Freiheit geführten Sohn, sich innerlich zu erhalten und zu bewahren. Noch verrät selbst dieser zweite Band nicht deutlich, wohin die Linie dieses Lebens zielt, noch ist dieser Sommer im höchsten Sinne Präludium und Vorspiel der wachsenden Tragödie. Aber das Feuerzeichen am Ende des Buches, der ausbrechende Krieg, läßt schon ahnen, welche Höllen und Feuerkreise diese Seele wird durchwandern müssen, ehe ihr Läuterung und höchste Stufe entgegenleuchtet. Und erst das vollendete Werk wird gestatten, seinen Umfang, seine Form und die geistige Umfassung mit dem andern epischen Zyklus, dem Johann Christof, zu vergleichen.
    Immer wieder, je öfter und je näher man das Leben Rollands betrachtet, um so mehr erstaunt es durch seine kaum faßliche Fülle. Ich habe nur andeutend hier die seit sechs Jahren erschienenen Werke des Unermüdlichen angeführt, die entstanden sind – man vergesse dies nicht – neben der aufopferndsten, hilfreichsten Tätigkeit, neben einer restlosen Selbstverschwendung in Briefen, Manifesten und Aufsätzen, neben einer unermüdlichen Selbstbereicherung in Studien, Lektüre, menschlicher Anteilnahme, Reisen und Musik. Aber selbst diese hier aufgezählten publizierten Werke umschließen (nebst seinem unablässig fortgeführten Tagebuche) noch immer nicht die ganze Summe seiner künstlerischen Unternehmung: während er sich ausstreut in gestaltenden Formen, sammelt er gleichzeitig sich selber die Frucht der Ideen zu einem Buche geistigen Selbstbekenntnisses, das »Voyage intérieur« heißt und vorläufig nicht zur Veröffentlichung bestimmt ist. Immer, in jeder Form, ist seine Tat größer als ihre äußere Manifestation. Immer und immer und je näher und näher man in das Geheimnis seiner Werkstatt einzudringen sucht, um so rätselhafter wird das Einmalige dieser hier wirkenden Kraft. Gerade heute, da das sechste Jahrzehnt ihm als ein wahrhaft erfülltes sich rundet, sehen wir ihn leidenschaftlicher gestaltend und unermüdlicher als alle Jugend: werkfreudig allem Neuen aufgetan, allem Irdischen beziehungshaft gesellt. Auch darin Beispiel und Vorbild wie in so vielen Formen und Manifestierungen seines groß gelebten Lebens, steht er ganz aufrecht noch Stirn an Stirn mit der ihm zugeteilten Aufgabe, als Führer im Geiste, als Bildner des Herzens, als Anwalt jeder leidenschaftlichen Gläubigkeit. Und keinen andern Wunsch wollen wir seinem sechzigsten Geburtstage aus immer wieder dankbarer Seele darbringen, als daß diese heroisch ringende und allzeit obsiegende Kraft ihm und uns unverstellt erhalten bleibe: der Jugend zum Beispiel, den Menschen zum Trost, ihm selber zur Vollendung.

Die frühen Kränze – Gedichte
    Insel-Verlag Leipzig, 1917

Die frühen Kränze
    Oh, come grato ocorre
Nel tempo giovanil, quando ancor lungo
La speme e breve ha la memoria il corso,
Il rimembrar delle passate cose!
    Leopardi
I
    Oft bange ich, vom Tal der Heiterkeit
Biege mein Weg zu Stille schon und Schweigen,
Denn leiser wandelt meiner Stunden Reigen,
Wie Menschen gehn vor naher Müdigkeit.
    So war, was ich, ein Kind, ein Träumer nahm
Das Leben schon? Und waren die verfrühten
Geschicke, die ich griff, schon reife Blüten,
Mit denen meine Jugend zu mir kam?
    Doch Fragen sind dies, die ich klaglos spreche,
Denn keiner weiß es ganz, was er erlebt,
Da er noch Strom ist und geschnellte Schwinge,
    Und erst, wenn alle Unrast fern verbebt,
Malen sich bildhaft auf der stillen Fläche
Die späten Träume der erlebten Dinge.
II
    Doch diesen Glanz verlangt es mich, zu halten,
Zu fassen das, was kaum Erlebnis war,
Der Ferne Gruß, der Frauen mattes Haar,
Den lieben Schritt enteilender Gestalten,
    Und solche Bilder, ehe sie verschatten,
In heißen Worten formend zu erneuern,
Daß sie, geläutert von den späten Feuern
Ein Glühen geben, das sie einst nicht hatten.
    So wird, was schon verging, mir neu zu eigen
Und reicher nun. Gefangen im Gedicht
Runden die Stunden längst schon welker Lenze
    Sich lächelnd wieder in den Lebensreigen,
Und ein – fast träumendes – Besinnen flicht
Die bunten Farben in die frühen Kränze.

Die Lieder des Abends
    Heard melodies are sweet, but those unheard
Are sweeter.
    Keats.
     
    Die Dinge, die die Abende erzählen,
Die sind so seltsam süß und wunderbar,
Weil sich in ihnen

Weitere Kostenlose Bücher