Stefan Zweig - Gesammelte Werke
Wunsch und Wort vermählen
Und küssen, wie ein Schwesterlippenpaar.
In ihnen schläft der Schmelz der Violinen
Und träumt ein Trost, der nicht dem Tag entstammt,
Und sorglos nimmst du Süßigkeit von ihnen
Gleich einer Rose, die am Wege flammt.
Wohl müssen die Lieder im Abend sein
Und dort meines Weges warten,
Denn geh ich in seine Arme hinein,
So tönt mein Herz ganz glockenrein
Und klingt wie der Wind durch den Garten.
Ist dies der Abend, der also singt
Und den meine Lieder erlauschen,
Ist’s Mondglanz, der süß und silberbeschwingt
In die perlenden Kelche der Blüten sinkt,
Ist’s der Wälder traumraunendes Rauschen?
Ich weiß nur: ein lockender Wille drängt
Mich hin in die Abendgelände,
Und wie das Herz dort sinnt und denkt,
Fühlt es oft, wundersam beschenkt,
Eines Liedes aufpochende Hände.
Und fühlt: der Abend ist reich und rein
Und voll von rauschenden Gnaden.
Was wir uns ersingen, war alles sein
Und unser Wandern ein Weg allein
Auf seinen ferndunkelnden Pfaden.
Abendtrauer
Abendtrauer, du klingende Laute,
Seele des Dunkels, du Jugendvertraute,
Abendtrauer, du tröstendes Leid,
Sanftes Gespiel meiner Einsamkeit,
Abendtrauer, du rauschende Kühle, –
Abendtrauer, wie ich dich fühle!
Dunkle Lippen, mit Süße getränkt,
Haben sich leise den meinen gesenkt,
Linde Hände mit zärtlichem Strich
Rühren mein Antlitz und lassen mich
Ganz schon in wartender Wollust beben,
Deiner Wehmut mich hinzugeben.
Sehnsüchtige Melodie
Wie eine windgewiegte Blüte
So ist mein Herz der Unrast voll
Und sehnt sich sehr nach Frauengüte,
Die seinen Schmerz verklären soll.
Nach Händen, die wie Lilien leuchten
Und kühl wie goldne Schalen sind,
In die das Leid mit tränenfeuchten
Verbangten Tropfen niederrinnt.
Es träumt von einer Dämmerstunde,
Da Büßernot in Worten brennt,
Und träumt von einem milden Munde,
Der nur das Wort Vergebung kennt.
Wie eine windgewiegte Blüte
So ist mein Herz der Unrast voll
Und sehnt sich sehr nach Frauengüte,
Die seinen Schmerz verklären soll.
Mein Herz träumt von den sanften Frauen,
Wie Fremde von der fernen Stadt,
Weil es viel Schweres zu vertrauen,
Viel Sünden zu verkünden hat.
Träume
Du mußt dich ganz deinen Träumen vertrauen
Und ihr heimlichstes Wesen erlernen,
Wie sie sich hoch in den flutenden blauen
Fernen verlieren gleich wehenden Sternen.
Und wenn sie in deine Nächte glänzen
Und Wunsch und Wille, Geschenk und Gefahr
Lächelnd verknüpfen zu flüchtigen Kränzen,
So nimm sie wie milde Blüten ins Haar.
Und schenke dich ganz ihrem leuchtenden Spiele:
In ihnen ist Wahrheit des ewigen Scheins,
Schöne Schatten all deiner Ziele
Rinnen sie einst mit den Taten in Eins.
Lied des Einsiedels
Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin!
Der stummen Sterne reine Nähe
Weht mich mit ihrem Zauber an
Und hat der Erde Lust und Wehe
Von meinen Stunden abgetan.
Der süße Atem meiner Geige
Füllt nun mit Gnade mein Gemach,
Und so ich mich dem Abend neige,
Wird Gottes Stimme in mir wach.
Wie seltsam hat sich dies gewendet,
Daß aller Wege wirrer Sinn
Vor dieser schmalen Tür geendet
Und ich dabei so selig bin,
Und von der Welt nur dies begehre,
Die weißen Wolken anzusehn,
Die lächelnd, über Schmerz und Schwere,
Von Gott hin zu den Menschen gehn.
Überglänzte Nacht
Der Himmel, dran die blanken Sterne hängen,
Hat seine Fernen atmend ausgespannt,
Und nachtverhüllte Blüten übersprengen
Mit heißen Düften das verklärte Land.
Die Wälder brennen blau wie Amethyste.
Sie rauschen nicht. Stumm stehen ihre Reihn,
Und solche Stille liegt im Land, als müßte
Der Engel Schwinge über ihnen sein.
Und jedes Herz muß diesen Segen spüren,
Und alle Wege, die noch irre gehn,
Wird nun ein Traum zu jenen Türen führen,
Die vor den Landen der Verheißung stehn.
Herbst
Traumstill die Welt. Nur ab und zu ein heisrer Schrei
Von Raben, die verflatternd um die Stoppeln streichen.
Der düstre Himmel drückt wie mattes schweres Blei
Ins Land hinab. Und sacht mit seinen sammetweichen
Schleichschritten geht der Herbst durch Grau und Einerlei.
Und in sein schweres Schweigen geh auch ich hinein,
Der unbefriedigt von des Sommers Glanz geschieden.
Die linde Stille schläfert meine Wünsche ein.
Mir wird der Herbst so nah. Ich fühle seinen Frieden:
Mein Herz wird reich und groß in weitem Einsamsein.
Denn Schwermut, die die dunklen Dörfer überweht,
Hat meiner Seele viel von ihrem Glück
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