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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Hand muß sich der Blick aufheben zu schneebedeckten Gebirgen und Felsenschroffen, zur linken umfaßt er freie Horizonte bis ins Unendliche hinein – so steht diese Stadt haargenau in der Mitte zwischen zwei Lebenszonen, zwischen zwei Klimaformen, zwischen Bergland und Flachland. Sie kann ganz Südstadt sein und ganz Nordstadt, mit weißvermummten Bergen, kaltklarer, eiskühler Luft, dann klirren Schlitten hinaus ins weiße Land, und von den Bergen und Hügeln sausen die Skier, aber über Nacht wirft sich der Wind, ein föniger Himmel blaut feucht und lau, und sofort wird Salzburg zur Südstadt, mit italienischen Farben, funkelnd, mit weißen Häuserflächen und umbuscht von aufquellenden Gärten, ein letzter Glanz vom Süden her rührt diese erzdeutsche Stadt in solchen Augenblicken an.
    Aber auch dem zweiten Element der Schönheit, dem Wasser, ist diese Stadt verbunden. Die Salzach, die meist rasch und schäumend sie durchquert, hat ein nordischer Dichter, Jens Peter Jacobsen, einmal zur Trägerin einer seiner bezauberndsten Novellen gemacht. Es ist ein kleiner, aber ungebärdiger Alpenfluß, der zur Zeit der Schneeschmelze in plötzlichem Zorn aufbrausen kann, ungestüm die Brücken zerschlägt und zahllose Bäume als Beute mit sich schleppt; im Sommer geht er meist still und gelassen, selten aber duldet er mehr als ein Faltboot auf seinem unruhigen Rücken. Doch dieses Wasser ist nicht das einzige belebende Element; ringsum, bis weit ins Salzkammergut hinein und nach Berchtesgaden reihen sich Seen an Seen, flache und bergumrundete, grüne und blaue, große und kleine, nüchterne und romantische, es ist, als hätte die eitle Natur hier unzählige Spiegel ins Grüne geworfen, um ihre Anmut in jedem anders zu betrachten. Und drittes Element der Schönheit: die Luft, der freie Raum. Salzburg ist verschwenderisch gebaut, mächtig die Türme, mächtig die Paläste, herausfordernd groß die Kirchen und vor ihnen die Plätze weiträumig, so daß ihre Höhe und Rundung voll zur Geltung kommen. Zwanzig, dreißig Türme steigen empor aus dieser alten Bischofsstadt, schmale und rund gekuppelte, viereckige und zwiebelig gewölbte, kleine und unscheinbare, die nur wie Mützen aus dem Häuserhaufen hervorlugen, und breite, massive, die an die Peterskirche und ihre Pracht bewußt erinnern wollen – und alle diese vielen Kirchen haben Glocken, und alle diese Glocken läuten jede mit einem anderen Ton, heller und dunkler, so daß zu manchen Stunden die Stadt wie überspannt ist von einem bronzenen Zelt. Aber hoch über all dem steht das wuchtige Wahrzeichen der Stadt, die Hohensalzburg, in wunderbarer und immer andersartiger Perspektive. Steigt man von den Höhen des Gaisbergs nieder zu Tal, oder kommt man vom bayrischen Flachland, blickt man nieder von den Höhen oder schaut man empor aus der Tiefe – von allen Seiten, von Nord und Süd und West und Ost, von nah und fern, immer sieht man zuerst das steinerne Schiff, die Hohensalzburg, über dem grünen Gewoge der Landschaft. Festgeankert seit den Tagen der Römer, eine zweitausendjährige Trireme aus hellen Quadern, fährt dieses Schiff durch die Zeit und steht doch ewig an gleicher Stelle, bald den Bug, den scharfen, mit Mastturm und Wimpel dem Blicke blendend zugewandt, bald die Breitseite mit hundert Luken und Fenstern. Und um das leuchtende Schiff rauscht wie weißer Schaum inmitten einer grünen Flut die kleine uralte Stadt.
     
    Dieses Bildnis der Stadt ist uralt, Jahrhunderte kennen sie schon im gleichen Profil, es hat sich wenig geändert, und heute sorgt schon bewußtes Interesse, daß dieses einzige historische Bildnis einer mittelalterlichen Stadt mitten im modernen Leben möglichst unverändert erhalten bleibe. Ein Glücksfall hat es mit sich gebracht, daß diese Stadt, die einzige im ewig streitbaren deutschen Reiche, seit Hunderten von Jahren keinen Krieg kannte, keinen Eroberer und Zerstörer, daß also, was von Vorvätern und Urvätern geschaffen wurde, sich treu in seiner traditionellen Form erhalten konnte. Der alte Reichtum dieser Stadt kam, der Name sagt es, vom Salz. Denn Salz war bei den Binnenländern Europas, die nicht vom Meer diese heilige Gabe empfingen, so kostbar wie Gold, und von überallher, wo in Europa Salz gefunden wurde, zeichnen sich die besonderen Straßen und Wege, die Salzwege ab. Auf ihnen wurde das kostbare, das zur Ernährung unentbehrliche Material zu Schiff und zu Wagen verfrachtet. Daß es ganz nahe bei Salzburg, in Hallein, in

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