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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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hatten sie von Anfang ständig Widerstand gegen sich, dem sie schließlich erliegen mußten, ausgestoßen aus dem Lande, dem sie trotz allem und allem den Keim der Befruchtung eingesenkt haben. Es war also vollkommen wohlüberlegt, daß Nóbrega, um diesen Konflikt der Kompetenzen möglichst lange zu vermeiden, sein Rom, seine geistige Hauptstadt abseits von der Residenz des Gouverneurs und des Bischofs anlegen wollte; nur wo er ungehindert und unbeaufsichtigt wirken konnte, vermochte jener langsame und mühevolle Prozeß der Kristallisierung zu gelingen, der ihm vorschwebte. Diese Rückverlegung des Wirkungszentrums von der Küste ins Binnenland bedeutete im geographischen Sinn wie zum Zweck der Katechisierung einen wohlerwogenen Vorteil. Nur eine Wegkreuzung im Land, geschützt einerseits gegen piratische Angriffe von der See her durch die Bergkette und doch nahe dem Ozean, nahe aber auch anderseits zu den verschiedenen Stämmen, die der Zivilisation zu gewinnen und aus dem Nomadischen zum Seßhaften zu erziehen waren, konnte die ideale Keimzelle bilden.
    Nóbregas Wahl fällt auf Piratininga, das heutige São Paulo, und die spätere historische Entwicklung hat die Genialität seiner Entscheidung bestätigt, denn die Industrie, der Handel, der Unternehmungsgeist Brasiliens sind noch nach Hunderten von Jahren seiner inspirativen Wahl nachgefolgt; an derselben Stelle, wo er am 24. Januar 1554 jene paupérrima e estreitíssima casinha im Verein mit seinen Helfern errichtet, steht heute mit Hochhäusern, Fabriken und menschenüberfüllten Straßen eine moderne Weltstadt. Nóbrega hätte nicht besser wählen können. Das Klima auf diesem Hochplateau ist gemäßigt, die Erde satt und fruchtbar, ein Hafen nahe und durch Flußläufe die Verbindung mit dem großen Wasserlauf des Paranê und Paraguay und damit des la Plata gesichert; von hier aus können nach allen Richtungen die Missionare zu den verschiedenen Stämmen vordringen und ihr Belehrungswerk radial ausstrahlen lassen. Außerdem besteht vorläufig keine die Sitten korrumpierende Kolonie von Degredados in der Nähe der kleinen Siedlung, die bald die Freundschaft der Nachbarstämme durch kleine Geschenke und gute Behandlung zu gewinnen weiß. Ohne viel Mühe lassen sich die Eingeborenen von den Priestern zu kleinen aldeias , zu jenen Wirtschaftsgemeinschaften vereinigen, die ziemliche Ähnlichkeit mit den heutigen russischen »Kollektivs« haben, und nach kurzer Zeit kann Nóbrega bereits melden: Vai-se fazendo uma formosa povoação . Noch hat der Orden nicht wie in späteren Zeiten selbst reichlichen Grundbesitz, und die sparsamen Mittel verstatten zunächst nur das Kollegium in kleinen Proportionen zu entwickeln. Aber immerhin werden hier bald eine ganze Reihe von Brüdern herangebildet, weiße und farbige, die, sobald sie der Landessprache mächtig sind, als missões volantes von Stamm zu Stamm ziehen, um immer neue Nomaden zur Seßhaftigkeit zu bewegen und für den Glauben zu gewinnen. Ein Knotenpunkt ist geschaffen, die erste escola para muitas nações de índios , und rasch bildet sich zwischen dem Missionar und den angesiedelten Stämmen ein ehrliches Gefühl der Solidarität; bei dem ersten Überfall schweifender Banden sind es schon die Neugetauften, die mit leidenschaftlicher Aufopferung unter der Führung ihres Häuptlings Tibiriças den Angriff abwehren. Das große Experiment nationaler Besiedlung unter geistlicher Führung, das dann in der Jesuitenrepublik von Paraguay seine einmalige Gestaltung finden wird, hat begonnen.
    Die Gründung Nóbregas bedeutet aber auch einen großen Fortschritt im nationalen Sinne. Zum erstenmal ist ein gewisses Gleichgewicht für den künftigen Staat geschaffen. Während vordem Brasilien eigentlich nur ein Streifen Küste war mit seinen drei oder vier Hafenstädten im Norden, die einzig mit tropischen Produkten handelten, beginnt nun auch im Süden und im inneren Land Kolonisation sich zu entwickeln. Bald werden diese langsam gesammelten Energien schöpferisch vorstoßen und aus eigener Neugier und Ungeduld das Land sich selbst in seinen Formen und Flüssen, in seiner Weite und Tiefe entdecken. Mit der ersten disziplinierten Innensiedlung hat sich die vorgefaßte Idee bereits in Saat und Tat verwandelt.
    Brasilien ist etwa fünfzig Jahre alt, da es nach embryonischen ungewissen Regungen zum erstenmal Zeichen wirklich bewußten Eigenlebens zu geben beginnt. Langsam treten die ersten Resultate kolonialer Organisation in

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