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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Augenblick wüßte man mit verbundenen Augen auf einer solchen Fazenda, ob die verschnürten Bündel und Säcke Baumwolle enthalten oder Kaffee oder Kakao; es war eine kleine Enttäuschung für mich, der ich hier von einem süßen, narkotischen Brodem träumte, zu sehen, wie die Tausende Säcke dieser köstlichen Nervenwürze tot und stumm und duftlos übereinandergeschichtet lagen, als wären sie Zement.
    Und die zweite Überraschung dann in Santos, dem großen Verladehafen Brasiliens; ich hatte gemeint, daß die ganze Prozedur mit der Einfüllung des Kaffees in Säcke schon beendet sei. Nun sah ich dort in den großen Betrieben, daß die Arbeit noch einmal beginnt. Denn die Welt will nicht da und dort den gleichen Kaffee, die einen bevorzugen die großen, die anderen die kleineren Körner, so wie man auch in den Schlachthäusern Argentiniens sieht, daß die Fleischsorten nach dem verschiedenen Geschmack der einzelnen Länder fett oder mager, Großvieh oder Kleinvieh gleich an der Exportstelle sortiert werden. Noch einmal muß in Santos, diesem großen, glühenden Backofen am Meer, jede einzelne Kaffeebohne heraus aus ihrem Sack. Noch einmal werden sie zusammengeschüttet zu riesigen Massen, die dann ein Rohr der fleißigste Kaffeetrinker der Welt – mächtig ansaugt, die Masse wird Strom und läuft aufwärts und abwärts durch ein Gefäll von Sieben, so daß die größeren Sorten von den kleineren Körnern getrennt werden, an laufenden Bändern picken gleichzeitig flinke braune Frauenhände während des Vorbeiströmens die wertlosen, verkümmerten Körner heraus; so wird die Qualität in einzelne Qualitäten gesondert, die Kaffeevölker werden uniformiert und mit einzelnen Sortennamen bedacht, immer genau fünfzig Kilogramm einer und derselben Art schüttet die selbsttätig wägende und zählende Maschine in einen neuen Sack, der schon Nummer und Qualitätsmarke trägt, und während der eben noch offene und blitzschnell angefüllte Sack weitergestoßen wird auf dem rollenden Band, vernäht eine andere Maschine das obere Ende des Sackes. Nun erst, nach diesen raffinierten und supertechnischen Verteilungen ist der Kaffee wirklich reisefertig und kann auf den wartenden Schiffen in alle Zonen der Erde fahren.
    Aber auch diese letzte Etappe der Reise vom Lagerhaus in das Schiff ist noch erstaunlich anzusehen. Denn nicht mehr wie in verschollenen Zeiten wird Sack für Sack auf einen sonngebräunten Menschenrücken geschwungen und über das Laufbrett an Deck getragen. Nicht wie wir es sonst in Häfen gewohnt sind, reichen Krane in elegant leichter Drehung vom Kai die gehäufte Ware in den Frachtraum des Schiffes hinab, sondern hier wird auf Schienen eine Brücke aus Stahl herangeführt und der Höhe des Bordes angepaßt. Diese Brücke trägt ein Paternosterwerk, einen fließenden Teppich, auf dem nun direkt aus der Tiefe ihres Lagerhauses die Säcke (weit bequemer als die Passagiere) an Bord befördert werden. Es ist schön anzusehen, dieses lautlose, stille, mechanische Fließen; Wie eine Lämmerherde auf einem schmalen Pfad Rücken hinter Rücken zu wandern genötigt ist, so zieht hintereinander stundenlang ein weißer Sack nach dem andern erst vom Lagerhaus empor und dann sacht wieder ins Schiff hinein, wobei man eigentlich erst erkennt (denn Zahlen selbst bleiben immer abstrakt), welche phantastische Quantitäten an Ware ein Schiffsbauch für eine zweiwöchige Reise in sich einzuschlucken vermag; und da hier Schiff an Schiff täglich wartend steht, ahnt man auch, welche ungeheuren Massen unsere kaffeetrinkerische Menschheit in jeder Stunde verbraucht.
    Endlich hat das gefräßige Schiff genug Kaffee in sich geschluckt. Ein Pfiff, und das flirrende Laufband stoppt, ein, zwei Säcke gleiten, von der Geschwindigkeit noch weitergestoßen, saumselig den andern nach. Dann schrillt das Zeichen des Dampfers, die Turbinen wettern los, langsam löst man sich von dem Kaffeestrand. Noch leuchten die Häuser in der Sonne, noch heben sich schlank die Palmen, aber immer ferner schimmert das große Grün dieser tropischen Welt, und bald sieht man nur ungewiß die Hügel mehr und schon ist auch dieses letzte Grüßen entschwunden aus dem Königreich des Kaffees. Vorüber! Vorbei und schon Erinnerung! Aber doch, wenn man daheim eine Tasse trinkt dieses köstlichsten und kunstfreundlichsten aller Getränke, wird man in dem zarten Duft jedesmal wieder all das besinnen, die tropische Sonne, die ihm das heimliche Feuer in den innersten

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