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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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scheiden.
    JEREMIAS (zögert, dann schreitet er feierlich zurück und hebt die Hände über des Königs Stirn):
    Der Herr segne dich und behüte dich auf allen deinen Wegen. Er lasse dir leuchten sein Angesicht und gebe dir den Frieden.
    ZEDEKIA (träumerisch verworren nachsprechend):
    Und… gebe… uns… den Frieden…

VII. Die letzte Not
    »Ich hielt meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Spott und Speichel.«
    Jer. L, 6.
     
    Auf dem großen Tempelplatze am Morgen des nächsten Tages. Eine gewaltige Menge, meist Frauen mit Kindern, drängt sich wild vor dem Palaste die Stufen empor und wird eine einzige, lärmende Flut, überschäumt von einzelnen gellen Rufen und Schreien. Die Vordersten sind bis zu der Tür gelangt und hämmern an das Tor.
     
    DER TÜRHÜTER (erscheint):
    Was wollt ihr noch? Ich habe euch schon gesagt, es wird heute kein Brot mehr gegeben!
    EIN WEIB:
    Aber ich habe Hunger! Ich habe Hunger!
    EINE ANDERE:
    Ein Brot haben sie mir gegeben für meine drei Kinder, klein wie die Spanne meiner Hand! Sieh her: ganz dürr ist das Mädchen, wie Bast ihre Finger. (Sie hebt ein Kind empor.)
    EINE ANDERE:
    Das meine sieh! Das meine! (Sie hebt ihr Kind empor.)
    STIMMEN (wild durcheinander):
    Ich habe Hunger… Gib Brot… Brot… Brot… Wir verhungern… Brot… Brot…
    EINER (ist bis zur letzten Stufe emporgeklettert):
    Her mit den Schlüsseln, sage ich.
    STIMMEN (durcheinander):
    Ja… her mit den Schlüsseln… Sperrt auf… Die Schlüssel… Ja… ja…
    DER TÜRHÜTER (den Emporgeklommenen vor die Brust stoßend):
    Zurück! Befehl des Königs, jedem ein Brot zu geben bei Tagesanbruch, und dann die Speicher zu schließen.
    EINE STIMME:
    Mir hat man keines gegeben!
    ANDERE STIMMEN:
    Mir auch nicht… mir auch nicht… Man hat mich vergessen… mich auch… warum mir keines?
    EINE FRAU:
    Wie ein Goldstück war meines, und ich habe ein Kind an der Brust. Gerechtigkeit!
    EINE ANDERE:
    Sand war in meinem, Kies und Sand!
    EINE ANDERE:
    Es sind nicht die gleichen Brote wie vordem! Falsch teilt man uns zu! Gerechtigkeit!
    DER TÜRHÜTER:
    Nachum teilt jedem das gleiche zu. Er ist gerecht.
    EINE STIMME:
    Wo ist er?
    ANDERE STIMMEN:
    Ja, wo ist er? Wir wollen ihn sehen!… Wo ist er… er soll uns Rede stehn… Heraus mit ihm… Er bestiehlt uns… wo ist er…
    EINE STIMME (aufreizend, grell):
    Zu Hause sitzt er und mästet die Seinen. Kringel und Kuchen backen sie.
    EIN ANDERER:
    Ja, sie haben alles beiseite geschafft, die Reichen!
    ANDERE:
    Und wir sollen hungern… nein! nein!… Sie bestehlen uns… Brot für die Armen… Brot… Brot…
    DIE AUFREIZENDE GRELLE STIMME:
    Beim Könige sind die goldenen Schüsseln voll mit Wildbret und Leckerei. Den Hunden werfen sie im Palast lieber die Reste vor als unseren Kindern.
    EINE STIMME:
    Das ist nicht wahr.
    ANDERE STIMMEN:
    Ja… ja… ich habe es selbst gesehen… meine Schwester sagt es auch… Wo ist Nachum… Vorwärts… Hinauf… Brot… Brot… Verschwunden sind sie jetzt alle… Brot… Brot…
    (DIE STIMMEN schwellen allmählich zu einem einzigen gewaltigen Schrei »Brot! Brot!« an. Die Menge flutet die Treppen in steigender Erregung hinauf, die Vordersten wollen schon den Türhüter greifen und hämmern mit ihren Fäusten an die verschlossene Tür.)
    (DER TÜRHÜTER hat in ein Horn gestoßen. Aus dem Palast eilt sofort ABIMELECH mit einigen Kriegsknechten herbei.)
    ABIMELECH:
    Fort!… Stoßt sie zurück… Hinunter die Treppen… hinunter… Raum vor dem Palast.
    (DIE MENGE flüchtet, gestoßen von den umgekehrten Lanzen, hinab in panischem Tumult.)
    DIE STIMMEN (durcheinander):
    Wehe… Er hat mich geschlagen… Sie töten uns… Wehe… Wo ist mein Kind… Weh… Gewalt… Zu Hilfe!
    (DIE MENGE hinabgedrängt, wogt unten in zorniger Erregung.)
    ABIMELECH:
    Seid ihr rasend! Der Feind wirft sich wider uns. Vor dem Walle stehe ich seit morgens gegen seinen Ansturm, und derweil brecht ihr hier vor? Was wollt ihr, Rotte?
    DIE STIMMEN:
    Brot… Wir haben Hunger… Brot… Unsere Kinder verhungern.
    ABIMELECH:
    Jedem ist Brot zugeteilt.
    DIE STIMMEN:
    Mir nicht… Man hat mich vergessen… Nicht genug…
    ABIMELECH:
    Der Feind berennt die Stadt! Spannt den Riemen enger. Kriegszeit ist jetzt.
    DIE STIMMEN:
    Nicht genug… Wir haben Hunger…
    ABIMELECH:
    So hungert! Ihr könnt hungern, wenn wir bluten! Erst die Stadt, dann ihr! (Aufmunternd): Es lebe Jerusalem!
    EINE

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