Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
Vom Netzwerk:
zur Hilfe verklammert war!
Du willst dich wehren, sie brechen dein Schwert,
Umtun deine Arme mit eisernen Flechten
Und schleppen
Und schleifen dich über die Treppen,
Wie ein Opfertier mit Peitschen und Schlägen
Jenem entgegen,
Dessen Hand du verstoßen, dessen Joch du zerbrochen
Und der dir ein feuriges Urteil gesprochen!
    (ZEDEKIA ist zurückgefahren und hebt wie abwehrend die Hände.)
    JEREMIAS:
    In die Knie
Knicken sie dich und stoßen dich sie,
Ein Feuer loht knisternd auf rundem Stein,
Vier Hände halten den Blendstahl hinein.
Heiß
Frißt die Hitze
Vom schwarzen Griff sich auf in die Spitze.
Sie glüht! Sie flammt! Sie wird rot! Sie wird weiß!
Und dann
Fassen dich rauh ihre Fäuste an,
Zischend und rauchend
Tauchen
Sie die Nacht dir in dein Auge hinein.
    ZEDEKIA (aufschreiend und sich an die Augen greifend, wie ein Geblendeter):
    Weh!
    JEREMIAS:
    Doch eh
Dir noch in einer brennenden Gischt
Von Blut und Tränen dein Blick verlischt,
Mußt du noch sehn
Deine Söhne, die drei, vor dem Henker stehn!
Doch dich halten die Knechte, dich halten die Ketten,
Du kannst sie nicht lösen, du kannst sie nicht retten,
Du kannst nur aufschrein, wie jetzt das Schwert
In den ersten! den zweiten! den letzten fährt!
Du siehst,
Wie ihr Blut, ihr junges, im Kote fließt,
Und siehst,
Eh der rote Stahl dich für immer blendet,
Wie Israels Stamm und Königtum endet.
    ZEDEKIA (der, wie ein Blinder tappend, auf das Ruhebett gesunken ist, die Hände flehend aufhebend):
    Erbarmen! Erbarmen!
    JEREMIAS:
    So wirst du ins ewige Dunkel schrein,
Doch dir wird kein Helfer im Himmel sein,
Denn Gott erhört
Nie den, der frevelnden Übermutes
Seine Stadt vertan und sein Haus zerstört.
Er wirft dich nieder zu den Würmern und Schlangen,
Die blind am Bauche der Erde hinlangen,
Er wirft dich zum Abhub, zu den Siechen, Verschwärten,
Den Unreinen, zu den Aussatzverzehrten,
Er wirft dich in Abseits, zu Räude und Grind,
Wo die Ausgestoßenen des Volkes sind.
Ein blinder Bettler, der Ärmste der Armen,
Durchstreifst du fremd dein eigenes Land,
Und tritt einer nah
Und sieht unter dem aschenwirrichten Haar
Das, was einstens König zu Zion war,
Dann hebt er die Hand
Und flucht dir, König Zedekia!
    ZEDEKIA (ist wie zerschmettert von den Worten stöhnend auf dem Lager liegen geblieben. Jetzt richtet er sich langsam auf und sieht Jeremias mit einem wirren Blicke schauernd an):
    Was für eine Macht ist dir gegeben, Jeremias! Die Kraft hast du gebrochen in meinen Gliedern, und das Mark steht starr mir im Leibe. Furchtbar sind deine Worte, Jeremias!
    JEREMIAS (die Ekstase ist von ihm gefallen, der Glanz in seinen Augen erloschen):
    Arm sind meine Worte, Zedekia, Ohnmacht meine Macht. Nur wissen kann ich und nicht wenden!
    ZEDEKIA (erschüttert):
    Warum bist du nicht früher vor mich getreten?
    JEREMIAS:
    Ich war immer zur Stelle. Doch du fandest mich nicht.
    ZEDEKIA:
    Es muß so Gottes Wille gewesen sein! (Schweigen. Dann steht Zedekia langsam auf und geht auf Jeremias zu): Jeremias, höre mich an – ich… glaube dir! Furchtbareres hast du gekündet, denn je gekündet ward einem König in Israel, und doch – ich glaube dir. Mit Schauer hast du mein Herz geschlagen, und doch, ich ward dir nicht gram. Es möge kein Streit mehr sein zwischen uns im Schatten des Todes. Geh hinab, woher du gekommen, nicht soll es dir fehlen an Zehrung, das letzte Brot meines Tisches will ich teilen mit dir. Und niemand wisse um unsere Zwiesprache denn Gott allein.
    (JEREMIAS wendet sich zum Gehen.)
    ZEDEKIA (gequält):
    Jeremias! Muß es denn sein? Oh, Jerusalem, mein Jerusalem! Kannst du es nicht wenden?
    JEREMIAS (düster):
    Es muß sein! Nichts vermag ich zu wenden. Verkünden ist mein Amt. Wehe den Ohnmächtigen!
    ZEDEKIA (schweigt, dann von innen):
    Jeremias, ich habe es nicht gewollt! Ich mußte Krieg künden, aber ich liebte den Frieden. Und ich liebte dich, weil du ihn gekündet hast. Nicht leichten Herzens hab ich den Harnisch genommen, es war Krieg vor mir unter Gottes Angesicht und wird auch nachdem sein. Viel habe ich gelitten, sei dessen Zeuge zu seiner Zeit. Und sei bei mir, wenn dein Wort sich erfüllt.
    JEREMIAS (ergriffen):
    Ich werde bei dir sein, mein Bruder Zedekia!
    (JEREMIAS wendet sich langsam, abgekehrten Gesichtes von ihm. Er ist schon bei der Türe, da ruft noch einmal:)
    ZEDEKIA:
    Jeremias!
    (JEREMIAS wendet sich.)
    ZEDEKIA:
    Tod ist über mir, und ich sehe dich zum letztenmal. Du hast mir geflucht, Jeremias – nun segne mich auch, ehe wir

Weitere Kostenlose Bücher