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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Stimme.
    STIMMEN:
    Nicht frage… Fluch über ihn… er gehört nicht zu uns… ein Ausgestoßener ist es des Herrn…
    EINE FRAU:
    Gottes Fluch ist er, über uns gesandt zu brennender Qual, Gottes Geißel und Galle – Jeremias, Jeremias!
    ZEFANJA (mit einem gellen Aufschrei, beide Hände vor sich hinhaltend):
    Jeremias!
    JEREMIAS:
    Was schrickst du so vor mir? Was fürchtest du dich? Ich bin nicht zu fürchten mehr. Wind ward mein Wort, und Kot ist meine Kraft. Spei mich an und geh deines Wegs!
    ZEFANJA (schauernd):
    Nicht fluche mir, du Furchtbarer, nicht fluche mir! Nein, nein, nein, ich tat dir nichts! Nicht fluche mir!
    JEREMIAS:
    Und wenn ich dir fluchte, was schädigte es dich, und wenn ich dich segnete, was förderte es dich? Was bin ich denn? Ein Hauch ohne Wort, ein Fluch ohne Kraft, ein Verkünder ohne Gott. Spei mich an, denn Aussatz war mein Wort und Lahmheit mein Wandel.
    ZEFANJA (noch mehr schauernd):
    Nicht fluche mir! Nicht fluche mir! Nie war ich dir feind! Oh, schützet mich! Verbergt mich vor ihm! Flehet ihn an, daß er mir nicht fluche! Ich kann sein Auge nicht schauen, ohne zu zittern, ich kann seinen Namen nicht hören, ohne zu schauern.
    DER ÄLTESTE:
    Ermanne dich! Was schauerst du vor ihm? Wind sind seine Worte und die Schmach seine Heimstatt.
    ZEFANJA:
    Nein… nein… furchtbar ist er… furchtbar… er hat es gewußt… er hat es gewußt voraus… er… er allein… und er hat ihn gerufen… der König… er… er…
    DER ÄLTESTE:
    Wer hat ihn gerufen?
    ZEFANJA (ganz entgeistert):
    Er… er hat ihn gerufen… der König. Gefaßt hatten sie ihn in seinen Ketten und wandten sein Antlitz, daß er schaue, wie man seine Kinder schlüge… er wehrte sich… aber sie zwangen ihn… Seine Lippen waren zwischen den Zähnen, er wollte schweigen… und er schwieg, wie sie den ersten faßten seiner Söhne… aber wie sie den zweiten griffen, da bebten sie… und da sie den dritten durchstießen, da sprangen sie auf, die Lippen, die verzerrten… aber nicht um Gnade schrie er… er schrie: »Jeremias! Jeremias!«
    (ALLE schauern zurück.)
    ZEFANJA:
    Seinen Namen schrie er in der Qual. Und da der Brandstahl seine Augen zerstieß, da schrie er nochmals… Jeremias… Jeremias… Wo bist du, Verkünder… wo bist du… mein Bruder Jeremias… ihn… ihn hat er gerufen… Er hat es gewußt…
    (ALLE weichen vor Jeremias, wie vor einem gefährlichen Tier.)
    JEREMIAS (in wirrer Qual mit sich ringend):
    Es ist nicht wahr… Ich habe es nicht gewollt… nichts, habe ich gewollt von dem allen… er darf mich nicht anklagen… er darf nicht… Das Wort ist in mich gefahren, wie das Feuer vom Steine fährt… er darf mich nicht anklagen… ich… ich wollte zu ihm… nicht ich… Gott hat mich zum Lügner gemacht… ich habe mich seiner erwehret… es ist nicht wahr… nicht ich habe es getan…
    ZEFANJA:
    Was redet er?
    EIN WEIB:
    Wahnsinn hat ihn befallen.
    EIN ANDERER:
    Ein Rasender ist er.
    EIN MANN:
    Nein… er hat es gesagt… er hat alles gewußt… ein Weiser ist er… ein Profet…
    JEREMIAS:
    Er darf nicht… er darf nicht… er darf mich nicht anklagen… mein Wort ist mein Wille nicht… Macht ist über mir… Er… Er… Der Furchtbare… Der Mitleidslose… Sein Werkzeug bin ich nur… sein Hauch… seiner Bosheit Knecht… Er hat mich beredet, und ich ließ mich bereden… denn übermächtig war er, und sein Knecht bin ich geworden… Fluch hat er in meinen Atem getan… Er… Er… der Furchtbare… die Galle in meine Rede… und das Bittere in meinen Speichel… Oh, wehe über die Gottesfaust… wen er faßt, der Furchtbare, den läßt er nicht wieder… oh, daß er mich freigäbe, den Verfluchten seines Worts… ich… ich… ich will nicht mehr reden seine Rede… schweigen will ich… schweigen… ich… ich… ich will nicht mehr, Gott… ich will nicht mehr… ich fluch deinem Fluche… laß deine Hand von mir, tu das Feuer von meinem Mund… ich… ich… ich kann nicht mehr… ich will nicht mehr…
    DIE STIMMEN:
    Tobsucht hat ihn überkommen… die Krämpfe… die Krämpfe… wie eine Gebärerin windet er sich… weichet von ihm… hört ihn nicht an… Gott hat ihn gestraft…
    (JEREMIAS bricht wie zerschmettert in sich zusammen.)
    DIE STIMMEN:
    Sehet… seht… Die Hand des Herrn hat ihn getroffen… Wahnsinn hat ihn geschlagen… weichet von ihm… weichet von ihm…
    (ALLE haben sich zusammengeschart und drängen sich von Jeremias fort, der auf der Erde liegt, wie ein gefällter

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