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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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es dein Wille ist – ich beuge mich, Herr, ich beuge mich!
    DIE MENGE:
    Er ist rasend… Nieder mit ihm… Er ist toll… Wehe… Er verflucht uns… Schweige… Verräter… Wehe…
    JEREMIAS (ganz in Ekstase):
    Was immer du tust, ich beuge mich.
Ich beuge mich, Herr, und bezeuge dich!
Ström nieder auf mich mit all deinen Schauern,
Ich tu mich dir auf, ich sperr mich nicht ab,
Brich ein in mein Herz, brich ein in die Mauern,
Wirf nieder die Tore, die tödlich umstürmten,
Verbrenn deinen Altar, den blutig beschirmten,
Verstoße dein Volk und verstoße auch mich –
Ich bleib dir doch treu in Tiefe und Trauer,
Denn mein Herz beherbergt dich ewiglich!
    DIE MENGE (ihn wild umstürmend):
    Verräter… Er betet um unsern Tod… Er verflucht uns… Steiniget ihn… steiniget ihn…
    JEREMIAS (noch ekstatischer sich aufrichtend, wie eine Flamme über der dunkel schwelenden Masse):
    Herr, tue an mir, wie dir es gefällt.
Ist Dunkel gesunken, kam Leidenszeit,
Herr, ich bin allem Leiden bereit!
Gieß aus deines Zornes fressende Lauge
In meine Seele – sie wird dich nicht lassen,
Zerbrich meine Hände, verschließ meine Augen –
Ich werde dich schauen, ich werde dich fassen.
Sinn aus das trächtigste Maß deiner Leiden,
Ich will mich nicht wehren, ich bin ihm bereit!
Und je mehr du mir Leiden und Martern gibst,
Um so mehr will ich künden, daß du mich liebst!
Ich will doppeln die Qual, die du auferlegt,
Ich will küssen die Geißel, die mich zerschlägt,
Ich will danken der Hand, die mich knechtet und kränkte,
Ich will rühmen den Brand, der das Herz mir versengte,
Ich will segnen den Tod, den dein Wille entsandte,
Ich will segnen die Not, die die Stadt uns verbrannte,
Ich will segnen Bitternis, Knechtschaft und Schmach,
Ich will segnen den Feind, der die Tore zerbrach,
Denn ich beuge mich, Herr, und bezeuge dich!
Was immer du sendest, ich lobe dich,
Herr, höre mein Wort und erprobe mich!
    DIE MENGE (in Wutschreien ihn unterbrechend):
    Verräter… steiniget ihn… er segnet unsere Feinde… er betet für unsere Feinde… Steiniget ihn… Fluch wirft er über uns… Lästerer… Steiniget ihn…
    DIE GRELLE AUFREIZENDE STIMME (alle überkreischend):
    Kreuziget ihn! Kreuziget ihn…
    DIE MENGE (die Stufen emporschäumend in wildem Schrei):
    Ja… ans Kreuz… kreuziget ihn… Gotteslästerer… Verräter… steiniget ihn… kreuziget ihn…
    JEREMIAS (die Arme auftuend zur Kreuzgebärde, in äußerster Ekstase):
    Dein Wille geschehe! Kommt her! Kommt her!
Die Lanze rammt mir ein und den Speer,
Oh, geißelt nur, speit und beschmähet mich,
Zum Kreuze schleppt und erhöhet mich,
Zerreißt meine Hände, zerbrecht mein Gebein, –
Ich will ja nur für euch alle und alle
Vor Gott das selige Sühnopfer sein.
Oh, faßt mich! Vielleicht ist mein Opfer genehm,
Vielleicht sieht sein Auge mit Wohlgefallen
Mein brennendes Herz und erbarmet sich
Und rettet und rettet Jerusalem!
    (DIE MENGE schäumt empor, ihn umdringend. Einige fassen ihn, andere werfen sich ihnen entgegen und versuchen, ihn zu befreien.)
    STIMMEN:
    Ans Kreuz… steiniget ihn… Er lästert Gott… Kreuziget ihn… Fluch Jeremias… Kreuziget ihn…
    ANDERE STIMMEN:
    Laßt… Der Geist Gottes ist über ihm… Er rast… laßt ab…
    ANDERE STIMMEN:
    Ans Kreuz… Ans Kreuz… Er hat uns verflucht.
    JEREMIAS (im Tumult, die Hände kreuzgebreitet):
    Was zögert ihr noch? Den seligen Preis
Des Martertods, ich will ihn bezahlen!
Oh, wie dürstig bin ich der Martern und Qualen,
Denn ich weiß,
Der am Kreuze hinstirbt in irdischer Pein,
Wird der selige Mittler und Fürbitter sein.
Seine Arme, die brechend am Kreuzholz hangen,
Werden liebend die Seele der Welt einst umfangen,
Seine Lippen, die schmachtend verlöschen und brechen,
Das erlösende Wort des Friedens aussprechen,
Seine Seufzer werden zu Wohllaut werden,
Seine Qual die ewige Liebe auf Erden.
Oh, sein Tod ist Leben, sein Leiden Vergeben,
Nur sein Fleisch kann sinken, sein Leib kann zerfallen,
Doch seine Seele wird flügelnd mit allen
Sünden der Menschen zu Gott aufschweben
Und dort der Bitter und Bote sein!
Oh, daß ich es wäre, oh, daß ich es würde,
Meine Seele verzehrt und verlodert sich!
Auflegt mir das Kreuz! Aufhäuft mir die Bürde!
Kreuziget mich! Oh, kreuziget mich!
    (DIE MENGE hat ihn unter wilden Rufen gefaßt und schleift ihn mit sich. Sie schlagen auf ihn ein.)
    STIMMEN:
    Kreuziget ihn… Ans Kreuz… Er hat sie gerufen… er ist der Feind… Kreuziget ihn!… steiniget ihn…
    (Flüchtige kommen in

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