Stehaufmaennchen
wohnt er schon in unserer Welt.
Bin total verwirrt. Wie kann aus einem Brot eine Rose wachsen? Schimmel, das hab ich schon gesehen, und in Opas Nachttisch hab ich mal ein Camembertbrot versteckt, aus dem mittlerweile sogar ein Pilz wächst, aber eine Rose? Und wieso hat Gott unter uns sein Haus gebaut? Nebenan wäre doch auch Platz gewesen. Aber unter uns? Und wo genau? Noch unter unserem Keller? Hätte Gott da nicht erst mal Papa fragen müssen, bevor er anfängt, unter uns zu bauen? Um meine Fragen zu beantworten, bietet mir Herr Optenberg ein Gespräch nach dem Unterricht an.
9. März 1970
Heute lernen wir, dass Jesus nicht normal zur Welt gekommen ist, sondern mit unbefleckter Empfängnis. Frage, ob es denn auch eine befleckte Empfängnis gäbe. Herr Optenberg wird komisch und sagt, das würde jetzt nicht hierhergehören. Jesus‘ Vater sei jedenfalls Gott und der würde nichts beflecken. Dann sollen wir uns überlegen, wie wir uns Gott vorstellen. Zeige auf und sage, dass ich ihn mir wie Papa vorstelle. Ja, das würde gehen. Gott sei überall. Habe eine Frage.
»Wenn Gott überall ist, also auch in Papa, hatte Mama dann auch unbefleckte Empfängnis?«
Nach dem Unterricht Gespräch mit Herrn Optenberg.
16. März 1970
Herr Optenberg erzählt, dass das letzte Abendmahl für Katholiken der Höhepunkt einer Messe sei. Finde ich gut. Essen ist fürmich auch immer ein Höhepunkt. Freue mich. Doch dann erfahre ich, dass nicht Essen der Grund für den Gang zur Kommunion sei, sondern die Erinnerung an Jesus‘ letztes Abendmahl. Frage, was Jesus denn an seinem letzten Abend gegessen hat. Das würde keine Rolle spielen. Finde schon, dass das eine Rolle spielt, denn wie soll ich mich vernünftig an ein Abendessen erinnern, wenn ich noch nicht mal weiß, was es gab? Wenn ich jetzt beim letzten Abendmahl an Pommes denken würde, bei Jesus hätte es aber keine Pommes gegeben, sondern in Wirklichkeit Mohrenköpfe, dann wäre das doch eine falsche Erinnerung und wenn ich Pech habe, vielleicht sogar Sünde.
Gespräch mit Herrn Optenberg.
23. März 1970
Heute muss ich zur Erstbeichte. Denn nur, wer sein Herz erleichtert, darf beim Abendmahl den Magen beschweren. Man darf alle seine Sünden beichten, denn niemand anderer wird davon erfahren. Weil man geheim beichtet. Mit einem Beichtgeheimnis. Sitze im Beichtstuhl und schwitze. Mir fällt nix ein, was ich beichten könnte, denn ich kann mich nicht erinnern, was Böses getan zu haben. Das wird der Priester aber niemals glauben und er wird bestimmt böse und am Ende hab ich wieder Sünde angerichtet. Muss mir was einfallen lassen. Überlege, ob ich einen Banküberfall beichten soll. Aber was ist, wenn die Beichte doch nicht so geheim ist und heute Abend die Polizei kommt, um mich für einen Banküberfall zu verhaften? Frage sicherheitshalber noch mal nach, ob die Beichte wirklich geheim ist. Der Priester meint, nur Gott würde von meinen Sünden erfahren und ich möge bitte anfangen, andere hätten auch noch zu beichten. Bin unsicher. Lasse das mit dem Banküberfall und erzähle stattdessen, dass ich Geld aus dem Opferstock genommen hätte, um Haribos zu kaufen. Außerdem hätte ich einmal gelogen.Nämlich gerade. Das sag ich aber nicht. Meine Sünden werden mir vergeben. Aber nur, wenn ich fünf Vaterunser bete. Bin im Nachhinein froh, keinen Banküberfall gebeichtet zu haben, denn da wäre ich mit fünf Vaterunser bestimmt nicht ausgekommen.
Am Abend kriegen wir Besuch vom Küster. Wegen meines Diebstahls und wegen Schadenersatz. Später werde ich zu einem Gespräch gebeten. Diesmal von Mama. Beichte ihr, dass ich die Beichte erfunden habe. Mama vergibt mir. Brauche nicht einmal Vaterunser zu beten.
25. März 1970
Geburtstag. Bekomme einen Anzug geschenkt. Für die Kommunion. Tue so, als würde ich mich freuen, und ziehe den Anzug an. Fühle mich steif wie ein Brett, und die Hose kratzt wie Tante Gerdas Bart. Ob man nicht auch in Lederhosen zur Kommunion gehen könnte. Nein, könnte man nicht! Eine Lederhose würde auch gar nicht zu einer Krawatte passen, die müsse man nämlich auch anziehen, das sei schick. Opa gibt mir eine Krawatte. Weil ich keinen Krawattenknoten kann, bindet Opa mir die Krawatte. Opa kann aber auch keinen Krawattenknoten. Dafür aber komplizierte Seemannsknoten. Als Opa fertig ist, laufe ich blau an und Mama muss schnell eine Schere holen, um die Krawatte aufzuschneiden.
5. April 1970
Heute ist es so weit. Gehe mit vielen anderen Kindern in die
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