Stehaufmaennchen
keine Sau schreien hört. Sehe meiner Zukunft als Moorleiche gefasst ins Auge, bis Papa mich kurz vor der Flut aus dem Schlick zieht. Bekomme Sehnsucht nach Tante Gerdas Wasserbeinen.
17. Juli 1972
Habe keine Lust mehr auf Strand und Wasser. Bleibe am Zelt und nehme ein Sonnenbad. Mit meinen ganzen Verbänden kann ich mich am Strand sowieso nicht blicken lassen, denn die einzig verbandfreie Stelle ist mein Bauch. Ein heftiger Sonnenbrand ändert auch dies. Weil der Verband alle ist, muss ich die nächsten Tage im Zelt bleiben.
18. Juli 1972
Hitzewelle. Draußen sind 45 Grad. Wie hoch die Temperatur im Zelt ist, weiß ich nicht, denn die Skala des Thermometers reicht nur bis 80.
19. Juli 1972
Hitzewelle. Außentemperatur konstant 45 Grad.
20. Juli 1972
Hitzewelle. Außentemperatur konstant 45 Grad.
21. Juli 1972
Hitzewelle. Außentemperatur konstant 45 Grad. Zum Glück krieg ich morgen die Verbände ab und darf wieder raus! Wie ich mich aufs Wasser freue!
22. Juli 1972
Regen und Temperatursturz auf achtzehn Grad. Im Zelt. Draußen ist es kälter. Mir egal. Ich renne den ganzen Tag durch den Regen und genieße die wiedergewonnene Freiheit.
23. Juli 1972
Schwere Erkältung und Fieber. Muss im Zelt bleiben.
24. Juli 1972
Hitzewelle. Außentemperatur 42 Grad. Körpertemperatur geringfügig niedriger.
25. Juli 1972
Fahren wieder nach Hause. Alle sind knallbraun und gut erholt. Ich nicht. Alle fanden es toll an der Nordsee. Ich nicht. Keiner will im nächsten Jahr zu Tante Gerda. Ich schon.
12. Bonanza
7. Oktober 1973
Sonntag. Heute ist es so weit! Heute kommt Bonanza ! Und zum ersten Mal reitet der dicke Hoss quer durch unser Wohnzimmer! Denn Mama hat einen Fernseher gekauft! Einen Graetz Maharadscha! Gebraucht. Früher musste man in die Dorfkneipe, um den dicken Hoss zu sehen. Dort konnte man zwanzig Pfennig in einen Kasten werfen, und dann lief der Fernseher für eine Stunde. Papa muss ein richtiger Bonanzafan gewesen sein, denn er ging jeden Sonntag in die Kneipe. Doch das ist jetzt vorbei. Die ganze Familie schaut glücklich auf Maharadscha. Bis auf Papa.
18 Uhr 40
Ich darf einschalten und kann es kaum abwarten, die Bonanzagitarre zu hören. Doch das Einzige, was man hört, ist ein Knistern. Dann brummt es. Dann knistert es lauter. Langsam hört man Stimmen. Ich bin aufgeregt. Da ist sie! Die Stimme von Hoss! Er sagt: »Gleich, Pa!« Nie werde ich diese Worte vergessen. Blöd nur, dass man Hoss dabei nicht sehen kann. Papa meint, Maharadscha braucht eine gewisse Vorwärmzeit. Wegen Röhren und so. Das scheint Hoss auch zu meinen, denn wieder sagt er: »Gleich, Pa!«
18 Uhr 48
Ein weißer Punkt erscheint in der Mitte der Bildröhre. Ich presse meine Nase auf das Glas. Doch in dem winzigen Punkt ist nichts zu sehen von der weiten Prärie der Ponderosa. Mama meint, manmuss sich drei Meter wegsetzen vom Fernseher. Zu nah wäre schlecht für die Augen.
18 Uhr 52
Die Familie sitzt drei Meter vor Maharadscha und starrt gebannt auf einen weißen Punkt. Papa geht in die Kneipe, den Elektriker holen. Nur zur Sicherheit.
18 Uhr 54
Der Punkt ist etwas größer geworden. Nie war Bonanza so spannend wie heute.
18 Uhr 58
Mit einem »Fluff« dehnt sich plötzlich der Punkt aus. Und dann kann ich sie sehen! Meine Helden! Hoss, Adam, Ben, Little Joe und Hop Sing. Die ganze Familie schreit vor Begeisterung, sodass niemand den nächsten Satz des dicken Hoss hört. Aber auch als wieder Ruhe ist, hören wir Hoss nicht. Denn Maharadscha hat beschlossen zu schweigen.
19 Uhr 20
Hinter Maharadscha haben es sich Papa und der Elektriker zusammen mit ein paar Flaschen Bier gemütlich gemacht. Der Elektriker meint, Maharadscha hätte ein kaputtes Kondensaat. Aber das bekäme er hin. Prost.
14. Oktober 1973
Sonntag. Maharadscha ist wieder ganz! Zur Bonanzazeit hat sich die ganze Familie versammelt. Auch der Elektriker ist da. Zur Verstärkung hat er einen Kumpel mitgebracht. Zur Sicherheit. Papa hat mehr Bier gekauft. Auch zur Sicherheit. Wegen der Vorwärmzeit schalten wir diesmal schon um 18 Uhr 10 ein. Man muss eben mit Technik umgehen können. Das denkt wohl auchder Elektriker, denn um 18 Uhr 40 fällt ihm auf, dass man das Bild sicher noch besser einstellen könnte. Zusammen mit Papa und seinem Kumpel rückt er Maharadscha von der Wand ab und guckt ihm hinten rein. Mama muss den Badezimmerspiegel holen, damit der Elektriker auch sieht, was sich vorne im Bild tut, während er hinten rumschraubt. Bonanza mit Badezimmerspiegel
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