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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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vergesslich und in der Birne ziemlich fit. Ich kann mich zumindest nicht erinnern, mal was wirklich Wichtiges vergessen zu haben. Bin beruhigt. Dann kommt mir ein furchtbarer Gedanke. Was ist, wenn ich vergessen habe, wann ich das letzte Mal was vergessen habe?
9. Februar 1990
    Wieder nachts zweimal auf die Toilette gegangen. Meine Blase war früher irgendwie belastbarer. Ein erstes Anzeichen drohenden Verfalls? Muss der Sache auf den Grund gehen.
10. Februar 1990
    Um mir ein Bild über meine aktuelle körperliche Verfassung zumachen, unternehme ich einen Dauerlauf. Breche nach 200 Metern fast zusammen und bin erleichtert. Meine Kondition hat sich in den letzten zehn Jahren anscheinend nicht verschlechtert.
11. Februar 1990
    Heute im Fernsehen zum ersten Mal bewusst Webung für »Doppelherz« gesehen. Damit man auch im Alter noch aktiv ist und so. Die Werbung war mir bis jetzt nie aufgefallen. Vielleicht hab ich‘s aber auch vergessen. Und selbst wenn, fühle ich mich trotzdem nicht von der Werbung angesprochen. No!

12. Februar 1990
    Beim Sex versagt!
13. Februar 1990
    Flasche Doppelherz gekauft.
14. Februar 1990
    Wirkt!
28. Februar 1990
    Doppelherz ist alle. In der Apotheke schau ich mich um. Was es alles an Mittelchen für die ältere Generation gibt! Haftcremes für die Dritten (6 Mark 49), Mittel gegen häufigen Harndrang (8 Mark 70, Vorteilspackung 16 Mark), Gels gegen Arthrose (3 Mark 90), Rheuma (3 Mark 65), Gelenkverschleiß (4 Mark 10) und so weiter. Junge, Junge ... das ist ja eine ganze Industrie, die vom Älterwerden lebt. Auf dem Weg nach Hause verspüre ich einen leichten Schmerz im linken Kniegelenk.
2. März 1990
    Um meinem Image als lebende Mumie entgegenzuwirken, bringe ich ein Hightech-Gerät mit in die Berufsschule. Einen Walkman!Das Teil wirbelt beträchtliches Interesse bei den Schülern auf. So was haben die tatsächlich noch nicht gesehen. So was Antiquiertes. Dann zeigt man mir einen Discman. So was hatte ich noch nicht gesehen. Und das soll funktionieren? Ohne Kassette?
6. März 1990
    Beim Arzt. Nur so, zum Check-up. Und vielleicht auch ein bisschen wegen meines häufigen Harndrangs. Im Wartezimmer blättere ich in einer ADAC-Zeitung. Fühle mich wie achtzig, denn im Werbeteil versucht man, mir einen Treppenlift nach dem anderen schmackhaft zu machen. Brauch ich nicht. Habe keine Treppe.
    Der Arzt sagt, meine Prostata sei völlig in Ordnung. Dem Alter entsprechend. Aha. Ist das jetzt eher positiv oder negativ zu verstehen? Frage aber sicherheitshalber nicht nach. Zuhause komme ich zu dem Entschluss, die Diagnose positiv zu sehen, und schmeiße meine Vorteilspackung Granu-Fink-Kapseln weg. Eingenommen hab ich sie sowieso nicht. Ich hab sie nur gekauft, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein. Genau wie die Krampfadercreme.
12. März 1990
    Alarm! Graues Haar gefunden. Töne mir die Haare. Mit Henna. Die Aktion ist ein voller Erfolg. Kein graues Haar mehr auf dem Kopf. Dafür sehr viele rote.
13. März 1990
    Mein Pumuckl-Look kommt in der Berufsschule gut an. Würde mich um zehn Jahre jünger machen, wenn nicht mein Pommespanzer wäre. Pommespanzer? Sei ein anderes Wort für Puddingdampfer. Ach so, mein Bauch! Will gerade den Satz loslassen, dass Bier diesen Bauch formte, besinne mich aber eines Besseren und halte den Mund. Für meine Mitschüler stammtdieser Satz wahrscheinlich aus dem Alten Testament. (Was er wahrscheinlich auch tut!)
25. März 1990
    Geburtstag. Heute werde ich dreißig! Noch mal so viel, und ich bin schon sechzig! Mir ist nicht nach Feiern. Bin allein zuhause und gucke Fernsehen. Mosaik . Das Magazin für die ältere Generation.
6. April 1990
    Bin heute das erste Mal auf einer Ü30-Party. Ü30 bedeutet, dass nur Leute auf die Party dürfen, die über dreißig sind. Bin ich ja. Weit! Die Party ist gar nicht so schlecht. Unterhalte mich mit einem Typen und beeindrucke ihn ziemlich mit meinem Wissen über den neuen Discman. Später kann ich sogar noch den Satz mit dem Bier zum Besten geben. Völlig gefahrlos. Keiner bezeichnet mich als Opa. Gerate in Fahrt und erwähne, dass ich jetzt mal einen Kaktus setzen müsse. Schaue in fragende Gesichter. Gott, sind die alt!
28. Juni 1990
    Gehe jetzt seit drei Monaten regelmäßig auf Ü30-Partys. Seitdem fühle ich mich jünger. Habe nämlich entdeckt, dass ich dort mein auf der Berufsschule erworbenes Wissen gewinnbringend einsetzen kann. Ich weiß auf den Tag genau, wann das neue Album von Depeche Mode erschienen ist. Und dass

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