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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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mit den Achseln.
    »Schlachter!«
    »Interessant ... und so ein Profil ... kann sich das auch mal irren?«
    »Niemals. Es wird nämlich von Psychologen ausgewertet.«
    »Dann bin ich sicher, dass der Mann in seinem neuen Beruf glücklich sein wird.«
    Frage mich, was das Profil über meine verborgenen Talente verrät und welchen Beruf ich noch ergreifen werde. Das Erstellen des Profils ist relativ einfach. Es erfolgt mittels eines speziellen Fragebogens, den ich ausfüllen soll. Die erste Frage lautet: Welcher Beruf liegt Ihnen Ihrer Meinung nach am besten? Überspringe die Frage, denn ich hab ja eben gelernt, dass ich das noch gar nicht wissen kann. Bei den nächsten Fragen muss man Kreuzchen machen. Ich werde gefragt, was meine Lieblingsfarbe ist (kreuze »schwarz« an), ob ich lieber Kreise mag oder Vierecke und ob der Bundeskanzler Kohl oder Schmidt heißt. Die Fragen sind alle sehr leicht, allerdings hat keine von ihnen auch nur entfernt mit der Berufswelt zu tun. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Aber ich bin ja auch kein Psychologe.
    Nachdem ich achtzig Kreuzchen gemacht habe, gebe ich den Bogen ab. Das war's. Der Sachbearbeiter teilt mir mit, dass man mich postalisch über das Resultat meines Profils in Kenntnis setzt. Bedanke mich und verlasse das Büro. Die Situation im Flur hat sich immer noch nicht beruhigt. Zwei herbeigerufene Polizisten versuchen, die Situation in den Griff zu kriegen, werden aber von der Menge ignoriert, da sie keine Wartemarken vorweisen können.
1. Juni 1989
    Post vom Arbeitsamt bekommen. Ein Profil konnte nicht erstellt werden, weil meine Angaben im Fragebogen lückenhaft waren. Bekomme einen neuen Termin.
10. Juni 1989
    Wieder beim Arbeitsamt. Beantworte diesmal die erste Frage und schreibe, dass ich Schreiner werden möchte. Kreuzchen mach ich keine. Gebe den Bogen ab.
20. Juni 1989
    Post vom Arbeitsamt bekommen. Die psychologische Auswertung meines Profils hätte zweifelsfrei ergeben, dass ich für einen handwerklichen Beruf wie den des Schreiners geeignet sei. Dann lese ich noch, dass man einer Ausbildungsmaßnahme zustimmen würde. Wow! Freue mich auf meine Zukunft als Schreiner! Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet!

42. Die Sache mit dem Alter
29. Januar 1990
    Die Schreinerlehre ist okay. Aber in der letzten Zeit komme ich mir irgendwie alt vor. Besonders mittwochs und freitags, wenn ich in die Berufsschule muss. Ich bin mit Abstand der Älteste in der Klasse, was man alleine schon daran sieht, dass ich der Einzige bin, der nicht raucht. Mit sechzehn ist Rauchen noch chic. Mit 29 eben nicht mehr. Aber das ist nicht der alleinige Grund, warum man mich in der Klasse für einen Exoten hält. Für einige meiner Mitschüler kommt es schon einem medizinischen Wunder gleich, dass ich in meinem methusalemhaften Alter überhaupt noch lebe. Wie es denn sei, mein Leben als Greis, und wie ich mit meinem körperlichen Verfall so umgehe.
    »Was denn für ein Verfall?«
    »Na, so Opis wie du, die müssen doch bestimmt alle zehn Minuten einen Kaktus pflanzen.«
    Entgegne, dass ich noch nie einen Kaktus gepflanzt hätte, und ernte großes Gelächter. Kaktus pflanzen sei ein anderer Begriff für pinkeln. Um nicht alt auszusehen, kontere ich mit einem töften Begriff aus der Jugendsprache.
    »Ach ihr meint, den Jürgen würgen?«
    Schaue in ratlose Gesichter. Hab ich griechisch gesprochen? Die Gesichter wenden sich wortlos ab. Bin ich denn tatsächlich schon so in die Jahre gekommen?
2. Februar 1990
    Betrachte mich abends im Spiegel. Finde, dass ich noch ganzgut aussehe. Auch die kleinen Falten an den Augen machen mich nicht älter, sondern allenfalls interessanter. Hatte ich die eigentlich immer schon? Suche alte Fotos. Finde eins aus dem Jugoslawienurlaub. Das ist mehr als zehn Jahre her. Man sieht deutlich, dass ich darauf keine Falten habe. Dann müssen die wohl neu sein. Vielleicht sind es ja nur Lachfalten. Überlege, ob ich viel gelacht habe in der letzten Zeit. Eher nein. Schaue wieder in den Spiegel und stutze. Kann es sein, dass die Falten ein Stückchen größer sind als eben? Bin beunruhigt und eine weitere Falte entsteht auf meiner Stirn. Habe keine Lust mehr, mir beim Altern zuzusehen, und lege mich ins Bett. Schlaf soll ja jung halten.
5. Februar 1990
    Musste heute Nacht zweimal auf die Toilette. Einen Kaktus pflanzen.
7. Februar 1990
    Denke über das Alter nach. Ein eindeutiges Anzeichen fürs Älterwerden ist ja zunehmende Vergesslichkeit. Bin eigentlich nie

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