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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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gespürt.«
    Der Alte lachte leise. »Ich habe schon gewußt, daß du gewonnen hast, als ich sah, wie Hunli sein Pferd holte und in die Steppe hinausjagte«, sagte er. »Er muß ziemlich wütend gewesen sein und kam erst gegen Abend zurück.«
    »Seinen Zorn wird er nicht so schnell vergessen«, sagte Lauscher. »Ich muß mit meinen Begleitern morgen früh aus dem Lager verschwunden sein, ehe er aufwacht.«
    »Um so größere Ehre erweist du mir, Herr, daß du noch in der Nacht vor deiner Abreise zu mir kommst«, sagte der Alte. »Hast du deine Flöte mitgebracht?«
    »Hier ist sie«, sagte Lauscher und zog die Flöte hervor. »Was willst du, das ich spiele?«
    Der Alte bedachte sich eine Weile und sagte dann: »In all den Jahren, die ich hier als Sklave lebe, habe ich meine Pferde liebgewonnen. Willst du mir ein Lied von Pferden spielen?«
    Lauscher nickte und setzte die Flöte an die Lippen. Er dachte an das Tal von Barleboog und an die Zeit, die Barlo als Pferdeknecht auf Eldars Hof verbracht hatte, und begann diese Geschichte mit den Tönen seiner Flöte zu erzählen, und so erfuhr der Alte, wie Barlo zum Dienst auf dem Schloß gezwungen wurde, dessen Herr er in Wirklichkeit war, und wie er seine einzige Freude im Umgang mit den edlen Pferden fand, die dort im Stall standen.
    Während er spielte, hörte er das Schnauben von Pferden und sah ihre Schatten aus dem Dunkel tauchen und langsam näher trotten. Und als er seine Geschichte zu Ende erzählt hatte, drängten sich alle Pferde, die in der Koppel waren, jenseits der Einfriedung zusammen, als wollten auch sie diesem Lied zuhören, das von ihresgleichen handelte.
    »Ich danke dir für dieses Lied, Herr«, sagte der Alte. »Es war sehr tröstlich für einen Sklaven, der seine Tage bei Pferden verbringt, und auch meine Tiere haben es gern gehört, wie du siehst.«
    »Dann will ich für sie noch etwas anderes flöten«, sagte Lauscher. Während die Pferde sich versammelt hatten, war ihm ein Gedanke gekommen: Könnte es nicht geschehen, daß Hunli in seinem Zorn ihn verfolgte, sobald er mit seinen Begleitern das Lager verlassen hatte und schutzlos durch die Steppe ritt? Und nicht nur das. Bot sich hier nicht eine Gelegenheit, dem Treiben der Beutereiter für einige Zeit ein Ende zu setzen? Belarni würde ihm dankbar dafür sein, dessen war er sicher. Er hob also seine Flöte noch einmal zum Mund und sprach nun die Pferde an: »Hört mir zu, meine Pferdchen!« flötete er. »Hört, was ich euch mit meiner Flöte sage: Wenn eure Reiter sich auf eure Rücken schwingen und euch die Zügel freigeben, dann lauft hinaus in die Steppe, lauft, daß es für jeden eine Freude ist, von euch getragen zu werden! Springt und jagt, fliegt wie Falken und geht sanft wie Lämmer, je nachdem, was man von euch verlangt. Aber wenn eure Reiter euch zum Angriff auf friedliche Leute treiben, wenn ihr den Kriegsschrei der Horde hört und wenn eure Reiter den Pfeil auf die Sehne legen und das Krummschwert aus der Scheide reißen, dann bäumt euch auf, macht kehrt auf der Hinterhand und lauft davon, so schnell euch eure flinken Hufe tragen! Lauft so weit ihr könnt und so lange, bis ein ganzer Tagesritt zwischen euch und den Leuten liegt, auf deren Leben es eure Reiter abgesehen hatten! Besinnt euch auf eure friedliche Wesensart, meine Pferdchen, und helft keinem mehr, der diesen Frieden stören will!«
    Als er zu Ende gespielt hatte, trat er an das Lederseil der Einfriedung heran und strich über die weichen Nüstern der Pferde, die schnaubend ihre Köpfe herüberstreckten.
    »Du verstehst auf deine Weise auch mit Tieren zu reden«, sagte der Alte, »wenn ich mich auch wundere, daß diesen wilden Steppenpferdchen ein solch friedliches Lied, wie du es gespielt hast, so gut gefällt. Das klang eher nach einem lustigen Spazierritt als nach Angriff und Kampf.«
    »Pferde sind friedliche Tiere, wenn kein Beutereiter auf ihrem Rücken sitzt«, sagte Lauscher. »Würdest du deine Pferde sonst lieben?«
    »Da magst du recht haben«, sagte der Alte. »Aber nun habe ich dich lange genug aufgehalten. Du solltest dich jetzt schlafen legen, damit du morgen früh frisch bist für den langen Ritt. Bewahre die Schuppe gut auf, die dir das Mädchen aus unserem Volk gegeben hat. Vielleicht brauchst du wieder einmal Hilfe solcher Art. Du warst sehr freundlich zu den Leuten vom Braunen Fluß, die hier in der trockenen Steppe leben müssen. Auch dafür habe ich dir zu danken.«
    Als Lauscher am nächsten Morgen

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