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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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seiner Stube halten sie auch ihre Beratungen ab. Jedes Wort Arnis gilt ihnen als Gesetz, und jede seiner Taten erscheint ihnen nachahmenswert.«
    Belarni schien von solchen Auskünften befremdet. Er schüttelte den Kopf und sagte: »Mag sein, daß du noch nicht lange genug bei Arnis Leuten gelebt hast, um sie richtig zu verstehen. Doch wenn es sich wirklich so verhält, wie du sagst, dann hat keiner dieser Männer Arni richtig verstanden. Ich war noch ein kleiner Junge, als er getötet wurde, aber so viel hatte ich schon begriffen, daß er nicht darauf aus war, Gesetze zu verkünden oder feste Lebensregeln aufzustellen; denn er war selbst noch auf der Suche. ›Merk dir eins, mein Junge‹, hat er einmal zu mir gesagt, ›wenn du einmal meinen solltest, das Ziel deines Lebens deutlich vor dir zu sehen, dann hast du dich vermutlich im Weg geirrt.‹ Diese Leute Arnis wissen mir zu genau, was Arni im Sinne gehabt haben soll. Sie scheinen aus ihm einen Verkünder nützlicher Ratschläge gemacht zu haben, auf den sie sich notfalls berufen können, wenn sie ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Offenbar sind sie nichts weiter als tüchtige Geschäftsleute.«
    Lauscher war betroffen von den Worten des Jungen, und er fragte sich, ob er nicht selbst schon ähnliches gedacht habe. Doch dann wischte er diesen Gedanken beiseite, denn er stellte alles in Frage, was er zu erreichen hoffte, seit er Hönis Haus betreten hatte. Vermutlich entsprang alles, was Belarni gesagt hatte, nur jungenhafter Schwärmerei. »Du warst noch zu klein, als dein Onkel starb«, sagte er. »Kann es nicht sein, daß du dir in der Erinnerung ein Bild geschaffen hast, das nicht der Wirklichkeit entspricht? Vielleicht machst du Arni nur zum Träger deiner eigenen Wünsche.«
    »Nein!« sagte Belarni zornig. »So ist es nicht! Ihr seid es, die aus Arni einen Popanz für die eigenen Wünsche machen. Ich hatte mir vorgenommen, mit dir zu Arnis Leuten zu reiten, aber jetzt sehe ich, daß ich dort nur eine andere Art von Unfreiheit finden würde. Ich muß mir meinen Weg selber suchen.« Schon bei diesen letzten Worten war er aufgestanden und verließ gleich darauf ohne Gruß das Zelt.
    Lauscher bedauerte es, Belarni enttäuscht zu haben. Er wäre gern mit ihm durch die Steppe zu Arnis Leuten zurückgeritten. Hier bei der Horde würde der Junge kein leichtes Leben haben, wenn er bei seiner Meinung blieb. Er würde noch lernen müssen, daß jede Gemeinschaft, welcher Art auch immer sie war, bestimmte Regeln für ihr Zusammenleben aufzustellen hatte, wenn sie Bestand haben wollte, und jene von Arnis Leuten mochten zwar ein wenig formell sein, aber so unvernünftig waren sie sicher nicht.
    Als er merkte, daß es draußen dunkel zu werden begann, stand er auf und ging hinaus, um Blörri zu suchen und ihm Bescheid zu sagen, daß sie morgen in aller Frühe aufbrechen mußten. Er fand ihn vor dem Zelt, das man ihm und seinen Leuten zugewiesen hatte, im Gespräch mit einem bezopften Beutereiter, den er wohl aus der Zeit vor der Großen Scheidung kannte. »Du hast Khan Hunli tatsächlich geschlagen!« rief Blörri. »Das ganze Lager spricht von nichts anderem. Alle schwören darauf, daß Arni selbst dir gezeigt haben muß, wie man gegen Hunli gewinnen kann.«
    »Dann danke Arni dafür, daß wir hier mit heiler Haut davonkommen«, sagte Lauscher und gab Blörri den Auftrag, alles vorzubereiten, daß sie gleich im Morgengrauen abreiten konnten. Danach ging er zurück in sein Zelt, holte seine Flöte hervor und wartete, daß die Nacht hereinbrach und es still wurde im Lager.
    Schließlich war es soweit, und Lauscher trat vor sein Zelt. Der Sternenhimmel stand wie eine glitzernde Glocke über der Steppe, geteilt von dem matt schimmernden Band der Milchstraße. Die schwarzen Filzzelte hockten wie riesige schlafende Tiere beieinander, und die Luft roch nach Rauch. Lauscher fühlte sich wie ein Späher, der durch das feindliche Lager schleicht. Vorsichtig, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, glitt er von Zelt zu Zelt, und als er in die Gasse zur Koppel einbog, konnte er schon die Pferde riechen. Gleich darauf löste sich aus dem Dunkel ein Schatten und näherte sich. Lauscher blieb stehen und erkannte den Pferdesklaven.
    »Ich danke dir, daß du gekommen bist, Herr«, sagte der Alte. »Arni hat deine Hand geführt, und auch ein anderer hat dir wohl noch beigestanden.«
    »Das mag schon sein«, sagte Lauscher. »Der Khan war naß von Schweiß, aber ich habe die Hitze kaum

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