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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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vereinigte und hoch bis über dessen Kopf aufloderte. Der Falke schien sich auf feurigen Schwingen nun endlich erheben zu wollen, bis zum Bersten voll glühenden Lebens inmitten der prasselnden Lohe, die an ihm fraß, bis er krachend zersprang und von den Flammen verzehrt wurde. Damit war auch ihre ungestüme Kraft gebrochen. Eine Zeitlang brannten sie ruhig und stetig, verlöschten dann eine nach der anderen, bis nur noch einzelne glimmende Punkte wie Leuchtkäfer über den Aschenhaufen krochen.
    Am Morgen weckte ihn der Hunger. Er blieb zunächst noch liegen, starrte auf die zerklüftete Höhlendecke und versuchte nachzudenken. Nun hatte er ein trockenes Quartier, hatte ein Feuer, aber zu essen hatte er nichts. In den vergangenen Wochen hatte er von der Hand in den Mund gelebt, und es war immer noch etwas zu finden gewesen, ein paar späte Pilze, eine Handvoll Bucheckern, aber sobald der erste Schnee fiel, würde es damit vorbei sein. Es war höchste Zeit, daß er sich Vorräte anlegte, wenn es nicht überhaupt schon zu spät dazu war.
    Ehe er die Höhle verließ, fachte er die Glut, die noch unter der Asche schwelte, mit einer Handvoll Reisig an und legte ein paar dicke Aststücke darauf, damit das Feuer nicht ausging. Draußen war es kühl und windig, aber es regnete wenigstens nicht. Hie und da gaben die rasch über den Himmel ziehenden Wolken sogar die Sonne frei, wenn es mit ihrer Wärme auch nicht mehr weit her war. Die Haselbüsche an der Felswand trugen an ihren steil nach oben gereckten Ruten noch ein paar braune, zusammengekräuselte Blätter und dazwischen die leeren Hülsen von Nüssen, die der Wind längst herabgeschüttelt hatte. Er scharrte das abgefallene Laub zur Seite und fand darunter den Boden übersät mit Nüssen. Nachdem er ein paar Handvoll zwischen zwei Steinen aufgeschlagen hatte, um seinen Hunger zu stillen, erwachte in ihm das Sammelfieber, und er begann hektisch Nüsse zusammenzuscharren und aufzuhäufen, nicht anders als die Eichhörnchen, die er beobachtet hatte. Da es ihm bald zu mühsam wurde, seine Ernte handvollweise in die Höhle zu tragen, flocht er sich aus dünnen Haselruten einen tiefen Korb, der zwar schließlich eher wie ein ausgebeulter Sack aussah, aber seinen Dienst tat, wenn man die gröbsten Löcher mit Grashalmen abdichtete.
    Mit dieser Sammeltätigkeit war er den größten Teil des Tages beschäftigt, und jedesmal, wenn er einen weiteren Korb voll Nüsse im rückwärtigen Teil seiner Schlafkammer ausgeschüttet hatte, betrachtete er mit Wohlgefallen seinen wachsenden Vorrat. Aber für den langen Winter in den Bergen würde das noch keineswegs ausreichen, und so entfernte er sich immer weiter von der Höhle und suchte den Boden unter jeder Haselstaude ab, die er finden konnte.
    Es ging schon auf den Abend zu, als er sich wieder mit einem Korb voll Nüsse auf den Heimweg machte. Während er müde und mit Kreuzschmerzen von der ungewohnten Tätigkeit zwischen Buschwerk und Felswand seiner Behausung zutrottete, entdeckte er, daß auf einem Grasplatz nahe bei seiner Höhle eine kleine Herde von Ziegen weidete, etwa ein Dutzend Tiere und ein kräftiger Bock mit weit geschwungenen Hörnern, der zuoberst unmittelbar vor dem Dickicht stand, das den Einschlupf verdeckte.
    Der Nüssesammler bemerkte mit Unbehagen, daß das wehrhafte Tier ihn offenbar schon gewittert hatte und scharf herüberäugte. Er versuchte, sich zwischen Sträuchern und Felswand zum Höhleneingang zu schleichen, doch sobald er sich bis auf etwa zehn Schritte genähert hatte, senkte der Bock den Kopf, preschte auf ihn los und rammte sein Gehörn dicht neben ihm ins Geäst, daß die Zweige splitterten. Mit Böcken war nicht zu spaßen, wenn ein Fremder sich ihrer Herde zu nähern wagte, das hatte er schon einmal erfahren, wie er sich dunkel erinnerte. Auf jeden Fall hielt er es für geraten, seine Hände dabei frei zu haben, und so zog er sich vorsichtig ein Stück weit zurück, setzte seine Last ab und überlegte, wie er das Biest von seiner Haustür verscheuchen könne. Er suchte auf dem Boden nach einem handlichen Stein, der sich gut werfen ließ, fand auch einen, aber er hatte sich noch nicht wieder aufgerichtet, als er plötzlich von oben aus der Felswand ein Grollen hörte, gleich darauf das Krachen berstenden Gesteins, und dann sah er auch schon die Brocken eines Felssturzes herabspringen. Mit einem Satz brachte er sich unter einem Überhang in Sicherheit, doch der Bock hatte nicht so viel Glück. Er

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