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Stein und Flöte

Stein und Flöte

Titel: Stein und Flöte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Bemmann
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oberen Teil, rann über die Stufe herab und sammelte sich in einem Becken, das offenbar einen unterirdischen Abfluß hatte. Er schöpfte eine Handvoll und trank. Das Wasser war eiskalt und schmeckte frisch und ein bißchen kalkig. Bequemer hätte er es gar nicht antreffen können, dachte er und beschloß, den weiteren Verlauf der Höhle zu erkunden. Der Felsabsatz war leicht zu erklimmen, und hier oben konnte man eben noch aufrecht stehen, wenn man den Kopf ein wenig einzog. Nach hinten wurde der Raum dann schmäler, aber erst nach etwa einem Dutzend Schritte traten die Wände so dicht zusammen, daß er nicht mehr weiter vorzudringen wagte, obwohl sich die Kluft noch tiefer in den Berg hinein fortzusetzen schien. Er ging zurück, setzte sich auf die Abbruchkante und überlegte, wie er sich hier einrichten sollte. Schlafen würde er jedenfalls im oberen Teil der Höhle, denn dort war er zumindest einigermaßen sicher vor ungebetenen Besuchern.
    Ehe es ganz dunkel wurde, kroch er noch einmal hinaus ins Freie, raffte ein paar Arme voll Laub und Altgras zusammen und schüttete sich damit oben auf dem Felsabsatz ein Lager auf. Außerdem sammelte er dürres Holz und stapelte es in der Höhle, denn nun war es an der Zeit, sein Feuerzeug auszuprobieren. Über einem Häufchen von trockenem Moos und Gras machte er sich ans Feuerschlagen, daß die Funken zwischen seinen Händen hervorspritzten wie winzige Sternschnuppen. Bald fing der Zunder an zu glimmen, ein dünner Rauchfaden stieg auf, und mit vorsichtigem Blasen gelang es ihm, ein Flämmchen zu entfachen, dem er mit Streifen von Birkenrinde neue Nahrung anbot. Nun brauchte er nur noch Holz aufzulegen, zuerst dünne Zweige, und darüber baute er eine Pyramide von armstarken Ästen. Die Flammen fraßen gierig weiter und wuchsen, schon breitete sich Wärme aus, Rauch wölkte auf, sammelte sich unter der Höhlendecke und zog durch einen Spalt ab. Fasziniert beobachtete er das Spiel der Flammen, die zunächst bläulich flackernde Vorboten über die berstende Rinde huschen ließen, bis sie dann unversehens zu feurigen Blumen aufbrachen und das knackende Holz mit züngelnden Blütenblättern umschlossen. Er wartete, bis die Äste zusammenstürzten, schob noch ein paar dickere Kloben in die Glut und stieg dann hinauf in seine Schlafkammer.
    Eine Zeitlang lag er noch wach, eingehüllt vom bitteren Geruch des Buchenlaubs, in den sich der Rauch des Feuers mischte, und blickte hinüber zu den glosenden Kloben, über die hin und wieder violette Flämmchen huschten. Ein knorriger Ast ragte schräg nach oben aus dem Holzstoß, sein Umriß hob sich vor dem purpurnen Schimmer der Glut ab, ein dunkler Falke, der eben die Schwingen hob, um sich aus der Hand des Jägers in den Himmel zu schwingen und seine Beute zu suchen. Doch er blieb gefesselt in seiner angespannten Haltung, und von unten her begannen blasse Pferde mit flatternden, durchscheinenden Mähnen auf ihn einzustürmen. Ehe sie ihn jedoch erreichten, bäumten sie sich auf, das Violett ihrer hochgereckten Köpfe schlug für einen Augenblick zu hellem Orange um, und ein Zischen wurde hörbar wie von fernem Schreien, mit denen Reiter ihre Tiere antreiben. Dann brach ihr Angriff zusammen, nur ein schwaches Glimmen kroch zurück und vereinigte sich wieder mit der Glut in der Tiefe, die für eine Weile langsam pulsierend gloste. Dann schüttelten die Rösser wieder ihre Mähnen, und der Angriff brandete von neuem heran, diesmal jedoch schwächer. Der Falke schien sich emporzurecken und die zögernd herandrängenden Reiter unter seine Fänge zu treten. Mit einem berstenden Knall, der den Einschlafenden jäh hochfahren ließ, schoß eine Funkengarbe hoch, dann rutschten die Hölzer ein Stück zusammen und begruben den Brand unter sich. Der Falke war im Dunkel kaum noch zu erkennen, aber seine Haltung wirkte jetzt noch stolzer und hochmütiger als zuvor, die Pose eines Siegers, der sich über seine Feinde erhebt. Immer deutlicher wurde seine volle Gestalt sichtbar, die gespreizten Schwingen, der hochgereckte Hals mit dem schmalen Kopf und dem scharf abgebogenen Schnabel, über dem grüne Augen herüberstarrten, schön und schrecklich zugleich. Diese neu aufbrechende Helligkeit war jedoch nur der Vorbote eines weiteren Angriffs, der sich in der Tiefe vorbereitete. Schon im ersten Ansturm züngelten die wild fliegenden Mähnen hellrot auf, und nun warfen die Reiter sich von allen Seiten auf den Gegner, bis sich der Kranz der Flammen

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