Steinbock-Spiele
ist ein heiliger Distrikt!« schreien sie. »Wir brauchen keine lästerlichen Fremden! Weshalb müßt ihr bei uns eindringen?«
»Was wollen sie?« flüstere ich. »Sind wir in Gefahr?« »Das ist eine Priesterbande«, sagt Holly. »Tun Sie, was sie sagen, und es wird uns nichts geschehen.«
Sie drängen heran. Springend und tanzend bespritzen sie uns mit Schweißtropfen.
»Wo kommt ihr her?« rufen sie.
»Aus Ganfield«, sage ich.
»Aus Hawk Nest«, sagt Holly.
Sie wirken verspielt und doch gefährlich. Mit einer Reihe kurzer Rempeleien leeren sie, mich umdrängend, meine Taschen: ich verliere meine Hitze-Pistole, meine Stadtpläne, meine nutzlosen Einführungsbriefe, mein Geld in verschiedenen Währungen, alles, sogar meine Selbstmordkapsel. Diese Dinge reichen sie einander weiter und bestaunen sie; dann gibt man mir die Hitze-Pistole und einen Teil des Geldes zurück.
»Ganfield«, murmeln sie. »Hawk Nest!« Ihre Stimmen klingen angewidert. »Schmutzige Orte«, sagen sie. »Orte, die Gott verachtet«, sagen sie. Sie packen uns an den Händen und schleudern uns herum, daß uns schwindlig wird. Die schwerfällige Holly ist überraschend gewandt und verfällt in einen stampfenden Tanz, der sie verwundert Beifall spenden läßt.
Einer, der Größte in der Gruppe, ergreift unsere Handgelenke und sagt: »Was wollt ihr in Kingston?«
»Ich bin hergekommen, um Bücher zu kaufen«, erklärt Holly.
»Ich bin hergekommen, um meine Monats-Frau Silena zu finden«, sage ich.
»Silena! Silena! Silena!« Ihr Name wird ein jubelnder Schrei auf ihren Lippen. »Seine Monats-Frau! Silena! Seine MonatsFrau! Silena! Silena! Silena!«
Der Hochgewachsene schiebt sein Gesicht an meines und sagt: »Wir bieten euch eine Wahl. Kommt und betet mit uns, oder sterbt auf der Stelle.«
»Wir beten lieber«, erwidere ich.
Sie zerren an unseren Armen und treiben uns ungeduldig vorwärts. Straße um Straße hinunter, bis wir endlich heiligen Boden erreichen: ein Gartengrundstück, klein, bepflanzt mit fremden Sträuchern und Blumen, mit offenkundiger Sorgfalt gepflegt. Sie stoßen uns hinein.
»Kniet nieder«, sagen sie.
»Küßt die heilige Erde.«
»Betet die Dinge an, die auf ihr wachsen, Fremde.«
»Dankt Gott für den Atemzug, den ihr eben getan habt.« »Und für den Atemzug, den ihr jetzt tun werdet.« »Singt!«
»Weint!«
»Lacht!«
»Berührt die Erde!«
»Betet an!«
12
Silenas Zimmer ist kühl und still, im oberen Stockwerk eines Wohngebäudes über dem Gelände der Universität. Sie trägt ein grünes Kleid aus grobem Stoff, keinen Schmuck, keine Schminke. Ihre Haltung ist ruhig und selbstsicher. Ich hatte die Zartheit ihrer Züge vergessen, das kühle, maliziöse Funkeln ihrer dunklen Augen.
»Das Hauptprogramm?« sagt sie lächelnd. »Ich habe es vernichtet!«
Die Tiefe meiner Liebe zu ihr entmannt mich. Ich stehe vor ihr und spüre, wie meine Knie zu Wasser werden. In meinen Augen ist sie von einer glitzernden Aura der Sinnlichkeit umgeben. Ich mühe mich um Beherrschung.
»Du hast nichts vernichtet«, sage ich. »Deine Stimme verrät die Lüge.«
»Du glaubst, daß ich das Programm noch habe?«
»Ich weiß es.«
»Nun, ja«, gibt sie kühl zu, »ich habe es.«
Meine Finger zittern. Meine Kehle trocknet aus. Eine Halbwüchsigentorheit sucht mich zu verschlingen.
»Warum hast du es gestohlen?« frage ich.
»Aus Lust, Unheil anzurichten.«
»Ich sehe die Lüge in deinem Lächeln. Was war der wahre Grund?«
»Kommt es darauf an?«
»Der Distrikt ist gelähmt, Silena. Tausende von Menschen leiden. Wir sind Räubern aus benachbarten Distrikten ausgeliefert. Viele sind schon an der Hitze, am Gestank des Mülls, am Versagen der Krankenhausanlagen gestorben. Warum hast du das Programm mitgenommen?«
»Vielleicht hatte ich politische Gründe.«
»Welche?«
»Den Leuten von Ganfield zu zeigen, wie völlig abhängig sie von diesen Maschinen geworden sind.«
»Das wußten wir schon«, sage ich. »Wenn du nur unsere Schwächen hast aufzeigen wollen, bist du auf das Selbstverständliche verfallen. Was hatte es für einen Sinn, uns zu ruinieren? Was konntest du dabei gewinnen?«
»Belustigung?«
»Mehr als das. So seicht bist du nicht, Silena.«
»Dann mehr als das. Wenn ich Ganfield lahmlege, helfe ich, die Dinge zu verändern. Das ist der Zweck jeder politischen Handlung. Die Notwendigkeit der Veränderung zu zeigen, damit sie sich einstellt.«
»Es genügt nicht, die Notwendigkeit nur zu
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