Steinbrück - Die Biografie
Welterklärer und Wahlkämpfer nicht solche Funken schlägt, wie Steinbrück es bei seinen Auftritten vor einem bunt gemischten Publikum vermag. Auch Gabriel misstraut der Kampagnefähigkeit von Steinmeier. Schon während des Bundestagswahlkampfs 2009, den Steinmeier mit der schlimmsten Niederlage der SPD beendete, gerieten die beiden aneinander. Für Gabriels Geschmack griff Steinmeier damals nicht frontal genug an, um wirklich als Alternative zur ebenfalls bedächtigen Kanzlerin wahrgenommen zu werden. Immer wieder versuchte Gabriel mit konfrontativen Themen den recht spannungsarmen Wahlkampf anzuheizen, aber das wurde ihm eher als Einmischung denn als Schützenhilfe ausgelegt. Gabriel klagte damals im kleinen Kreis einmal seufzend darüber, dass man zum Schmieden eben ein ganz besonders heißes Feuer entfachen müsse, sonst sei es sinnlos.
Außerdem kommt mit Blick auf den Bundestagswahlkampf 2013 ein zweites Thema neben dem Euro infrage, das vor allem Sigmar Gabriel am Herzen liegt. Der SPD-Vorsitzende will nämlich die Frage der »Gerechtigkeit« in den Wahlkampf einführen. Vor allem die Frage der Lohngerechtigkeit möchte er durchdeklinieren – angesichts eines wachsenden Millionenheeres von Geringverdienern in prekären Beschäftigungsverhältnissen keine schlechte Idee für einen SPD-Wahlkampf. Das Thema soll ersten Planungen zufolge natürlich auch verbunden werden mit den Millionengagen von Managern und Bankern sowie mit den noch unbewältigten Folgen der Finanzkrise. Kerngedanke ist hier der Vorwurf an die Finanzmarktakteure, dass sie für den riesigen Schaden, den sie durch ihre Spekulationen mit Schrottpapieren angerichtet haben, bislang nicht bezahlt haben. Die Einführung einer Finanzmarkttransaktionsteuer liegt Gabriel deshalb sehr am Herzen. Steinbrück hatte schon als Bundesfinanzminister vergeblich für dieses Instrument geworben, damals allerdings noch ein kontinentaleuropäisches Vorpreschen ohne Großbritannien abgelehnt. Inzwischen ist er deutlich flexibler geworden. Bei nahezu jeder Veranstaltung prangert er die Banker und Spekulanten an, sie würden sich um ihren gerechten Beitrag zur Schadensregulierung drücken. Auch die zwischenzeitlich zum Erliegen gekommenen Versuche, die Finanzmärkte stärker zu kontrollieren, stellen für Gabriel und Steinbrück ein wahlkampfträchtiges Thema dar. Für Steinbrück läuft das unter der Überschrift, den Primat der Politik über eine aus den Fugen geratene Finanzwelt wiederherzustellen. Oder um es mit Gabriels Worten auszudrücken: »Wer entscheidet, wie wir zusammenleben wollen? Die Finanzmärkte oder wir?«
Die ersten Risse in der Troika Gabriel, Steinbrück und Steinmeier tauchten auf, als es im März 2012 um die taktische Frage ging, wie man die Kanzlerin mit Gabriels Lieblingsthema Finanzmarkttransaktionsteuer vor sich hertreiben könne. Merkel brauchte damals für die Zustimmung zum Eurofiskalpakt eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag, war mithin auf die Stimmen der SPD angewiesen. Gabriel hatte verlangt, die Zustimmung davon abhängig zu machen, dass die Bundesregierung sich in der EU für die Einführung einer Finanzmarktransaktionsteuer nach dem Modell der SPD einsetzen werde. Da die FDP strikt dagegen war, musste Merkel einen Kompromiss finden. Steinmeier wusste das. Er war bereit, Abstriche zu machen und sprach sich deshalb auch dagegen aus, die beiden Themen Fiskalpakt und Börsensteuer mit einem Junktim zu versehen. »Das Wort Junktim stört aussichtsreiche Verhandlungsprozesse«, warnte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann. Und Steinmeier fügte im kleinen Kreis hinzu, ein solches Junktim binde eher die SPD als die Kanzlerin, weil man eine Ablehnung später ohne Gesichtsverlust nicht wieder in eine Zustimmung verwandeln kann. Für Gabriel, der die Idee des Junktims seit Längerem propagierte, wirkte das jedoch wie eine Ablehnung seiner Strategie. Er verschickte deshalb an eine ganze Reihe von SPD-Politikern aus der zweiten Reihe per SMS die Aufforderung, man möge sich doch bitte öffentlich im Sinne des Junktims äußern und die Finanzmarkttransaktionsteuer zur Bedingung für die Zustimmung zum Fiskalpakt machen. Steinmeier und übrigens auch Steinbrück erhielten diese SMS nicht, erlangten aber gleichwohl mit geringer Verzögerung Kenntnis davon. Steinmeier stellte Gabriel daraufhin erbost zur Rede und fragte ihn, warum er hinter seinem Rücken solche Aktionen starte.
Im Kern ging dieser Streit nicht
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