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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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nur um die taktische Frage des Junktims, sondern um die generelle Strategie der SPD gegenüber der Bundesregierung. Sollte man stellenweise kooperativ sein, wie Steinmeier es vorschwebte, oder mit Blick auf kommende Wahlen die Kanzlerin lieber mit einer konsequenten Oppositionspolitik stellen, wie Gabriel es forderte?
    Hinter diesem Streit stecken zwei tiefere Fragen, die für den Erfolg der Troika entscheidend sind: Die eine lautet, wer in der SPD den Ton angibt – der Parteichef oder der Fraktionsvorsitzende? Wenn sich hier keine Einigung herstellen lässt, ist es mit der Harmonie der Troika schnell vorbei. Die zweite Frage geht in die gleiche Richtung, die schon im Bundestagswahlkampf 2009 gestellt und von Steinmeier und Gabriel unterschiedlich beantwortet wurde: Kann die SPD Merkel mit einer Mischung aus Kritik und konstruktiver Politik besiegen oder geht es letztlich nur mit einem Frontalangriff?
    Gabriel steht für die Angriffsvariante. Sie entspricht seinem Naturell und speist sich aus den schlechten Erfahrungen, die die SPD 2009 mit der Steinmeier-Variante gemacht hat. Dazwischen bewegt sich Peer Steinbrück. Einen frontalen Wahlkampf gegen Merkel kann er ebenso wenig glaubhaft führen wie Steinmeier. Beide haben Merkel als Minister gedient und das gute Verhältnis und weitgehende Einvernehmen zwischen den Beteiligten ist der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben. Es wäre also wenig glaubwürdig, die Kanzlerin auf allen Feldern frontal anzugreifen.
    Daraus ergibt sich die für die Troika schwierige Konstellation, dass die beiden »Stones« im Wahlkampf eine andere Taktik verfolgen würden als der SPD-Vorsitzende, der wiederum über die Auswahl des Kanzlerkandidaten bestimmen soll. Viel spricht deshalb auch für die Variante, dass es in Wahrheit Steinmeier und Steinbrück sind, die die Entscheidung in der K-Frage vorab unter sich treffen. Die »Stones« sind sich persönlich und politisch viel näher als ihrem Vorsitzenden. Angeblich haben sie sich auch in die Hand versprochen, die Sache einvernehmlich zu regeln, weil jeder weiß, dass er im anschließenden Wahlkampf ohne die unbedingte Unterstützung des anderen chancenlos wäre. Gingen die beiden dann nach einer solchen Einigung zum Vorsitzenden und einer würde sagen »ich verzichte« und der andere würde sagen »ich mache es«, wäre es für Gabriel schwierig, sich dagegenzustellen.
    Die Dynamik solcher Prozesse ist schwer einzuschätzen. Die drei Männer wissen das und versuchen durch regelmäßige Treffen, Irritationen so weit es geht zu vermeiden. Sie kennen als Alphatiere natürlich ihre Stärken, aber die drei sind auch lange genug in der Politik, um nicht über ihre Schwächen hinwegzusehen. Gabriel weiß um seine Sprunghaftigkeit, Steinmeier um seine mangelnde Kampagnefähigkeit und Steinbrück ist sich darüber im Klaren, dass er mit seiner Schärfe und Ironie oft mehr Schaden als Nutzen stiftet. Mindestens einmal im Monat verabreden sich die drei an unterschiedlichen, in der Regel geheimen Orten, um Strategien zu besprechen oder Irritationen auszuräumen. Weil kaum etwas von diesen Troika-Treffen nach außen dringt, spricht viel dafür, dass wirklich ernsthaft und offen miteinander gesprochen wird, auch wenn es deshalb gelegentlich zu Missstimmungen kommt. Steinbrück etwa hatte sich sehr darüber geärgert, dass Steinmeier ihn nach dem überraschenden Verzicht von Axel Weber als neuen Präsidenten der Europäischen Zentralbank vorgeschlagen hat, obwohl Merkel diese Idee niemals in der Union würde durchsetzen können. Steinmeier wiederum war unglücklich darüber, dass er öffentlich als nächster Bundespräsident gehandelt wurde. Solche Vorschläge riechen immer ein wenig danach, dass man den potenziellen Konkurrenten »wegloben« möchte, wenngleich es am Ende ganz andere Kreise sind, die solche Gerüchte streuen.
    Die ständige öffentliche Präsenz der Troika bietet nach den Worten von Sigmar Gabriel den Vorteil, dass »alle über die SPD und die Frage reden, wer von denen Kanzler werden soll und keiner mehr über Frau Merkel spricht«. Der Nachteil dieses gut inszenierten, internen Wettbewerbs liegt natürlich ebenfalls auf der Hand: Irgendwann verbrauchen sich der Neuigkeitswert und Charme eines jeden Dreierbunds. Schon die Pressekonferenz des Trios zum Thema Europapolitik im Mai 2012 wirkte kaum noch selbstbewusst, sondern eher künstlich und bemüht. Alle drei sagten einleitend in etwa das Gleiche und versuchten sogar auf die
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