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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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Fragen der Journalisten so ähnlich wie möglich zu antworten. Das Gebot der Stunde lautete: bloß keine Unterschiede erkennen lassen, bloß keinen Soloauftritt wagen, um keine neuen Spekulationen zu nähren. Doch diese demonstrative Geschlossenheit wirkt irgendwann unecht. Stattdessen wird eher der Zwang zur Harmonie sichtbar als eine tatsächliche Übereinstimmung. Außerdem verrutschen schnell die Maßstäbe, wenn bei wichtigen Themen nur noch die drei Spitzenleute vor die Presse treten. Bedeutet das dann im Umkehrschluss, dass ein Soloauftritt von Steinbrück, Steinmeier oder Gabriel nur noch halbwichtigen oder gänzlich unbedeutenden Themen gilt?
    Die Troika hatte ihren Zenit endgültig überschritten, als sich die drei Sozialdemokraten Mitte Juli 2012 auf den Weg nach Paris machten, um dem neu gewählten französischen Staatspräsidenten Fran ç ois Hollande ihre Aufwartung zu machen. Das Pikante an dem Besuch war der Zeitpunkt. Der Sozialist Hollande empfing die Parteifreunde der deutschen Sozialdemokratie, noch bevor er Bundeskanzlerin Merkel in seinem neuen Dienstsitz, dem Élysée-Palast, begrüßt hatte. Manche Beobachter witterten dahinter gleich eine Retourkutsche des Franzosen – schließlich hatte Merkel während des französischen Wahlkampfs keine Zeit für den sozialistischen Spitzenkandidaten Hollande gehabt, obwohl der gerne ins Kanzleramt gekommen wäre. Dort hatte aber in dieser Zeit nur Merkels konservativer Parteifreund Nicolas Sarkozy Eintritt.
    Beim Blitzbesuch der Troika in Paris schien deshalb nicht nur das Protokoll in Vergessenheit zu geraten, sondern auch die übliche Trennung von Staats- und Parteipolitik, zumal Steinmeier eine Art europäischer Nebenregierung unter Sozialsten ausrief. Man könne es der Bundesregierung eben nicht mehr überlassen, alleine das Gespräch mit den europäischen Partnern zu suchen, begründete er den Troika-Vorstoß in Paris. Nicht wenige in Deutschland warfen deshalb der SPD vor, Merkel außenpolitisch in den Rücken zu fallen. Man könnte es so sehen, denn in der Tat standen ihr auf EU-Ebene schwierige Verhandlungen mit Hollande bevor, und da war es nicht ganz fair, wenn deutsche Sozialdemokraten den französischen Präsidenten mit Argumenten gegen die deutsche Kanzlerin fütterten. Die strittige Debatte in Berlin verfehlte ihre Wirkung auf Hollande nicht. Er vermied es deshalb, sich mit Gabriel, Steinbrück und Steinmeier in Paris gemeinsam fotografieren zu lassen. In den Zeitungen waren deshalb am Tag danach die drei SPD-Größen zu sehen, die ohne ihren Gastgeber alleine auf der Treppe des Élysée-Palasts standen und etwas verlegen in die Kameras lächelten.
    Es scheint inzwischen, als würde die »Heilige Dreifaltigkeit« langsam den Zenit ihrer Beliebtheit überschreiten. Im Juli 2012 sprachen sich in einer Emnid-Umfrage für den Focus 49 Prozent der Befragten für eine baldige Kür des Kanzlerkandidaten aus. Nur 34 Prozent meinten, die SPD solle noch warten. Unter den SPD-Mitgliedern selbst ist der Wunsch nach Klarheit in der K-Frage sogar noch ausgeprägter. Hier plädieren 53 Prozent für eine rasche Entscheidung.
    Den drei Protagonisten ist das bewusst, aber sie wollen sich nicht treiben lassen. Weder von der Öffentlichkeit noch von der Partei. Dabei darf man keine Fehler zulassen. Jeder in der Troika weiß, dass er unter schärfster Beobachtung der Medien steht, die jedes Anzeichen von Disharmonie lustvoll ausleuchten. Dass dabei naturgemäß viel dramatisiert und spekuliert wird, gehört ebenfalls zum riskanten Spiel auf dem glatten Parkett der politischen Bühne.
    Das gilt auch für die Frage, welchen Kandidaten die SPD angeblich lieber sehen würde. Die »Delegierten-SPD«, also die Riege der mittleren Funktionäre, neigt emotional sicherlich eher Sigmar Gabriel zu. Allerdings weiß dieser Teil der Partei auch, dass der SPD-Chef nach allen Umfragen die geringsten Chancen beim Wahlvolk hätte. Angesichts dessen müsste die SPD zwischen den beiden »Stones« wählen. In dieser Variante würde sich die Mehrheit der sozialdemokratischen Funktionäre wohl eher für Steinmeier als für Steinbrück entscheiden. Der Fraktionschef gilt auch den Linken noch als akzeptabler Kompromiss zu Steinbrück, der für die vielen aktiven »Zeitreichen« in der SPD immer noch ein rotes Tuch ist. Wie allerdings die Gesamtheit der knapp 500 000 SPD-Mitglieder bei einer Urwahl abstimmen würde, lässt sich kaum abschätzen – und vermutlich wird es dazu auch gar
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