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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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Fraktions- und Parteivorsitzenden noch der Abgeordnete Steinbrück anwesend sei – der habe derzeit schließlich kein Amt inne. Die Frage war gut gestellt, aber Gabriel konterte mit großer Offenheit: »Wenn wir hier nicht zu dritt gekommen wären, hätten Sie doch alle gefragt, wo denn die anderen sind!« Das stimmte. In den Wochen zuvor war nämlich bereits eine Debatte in Gang gekommen, die mit der öffentlichkeitswirksamen Präsentation der neuen Troika ihren vorläufigen Höhepunkt fand.
    Steinbrück selbst war der Auslöser gewesen und hatte die Diskussion losgetreten. Seit dem Erfolg seines Buches wurde ihm wieder wachsende mediale Beachtung zuteil. Auf die zunehmenden Fragen nach der Kanzlerkandidatur reagierte er zwar ausweichend. Dabei kokettierte er allerdings bewusst mit den Erwartungen seines Publikums. Gerne streute er allgemeine Floskeln ein, dass man sich »einer Verantwortung stellen« müsse, sich »einem Ruf nicht verweigern dürfe« oder »eine Herausforderung nicht zurückweisen« könne. Obwohl hinreichend verklausuliert, taten diese Äußerungen doch ihre Wirkung. Je öfter der Buchautor Steinbrück auftrat, je mehr Publikum und Beifall er bekam und je häufiger man ihn im Fernsehen sah, desto klarer wurde, dass hier einer dabei war, eine neue Karriere zu schmieden.
    Dann gab Sigmar Gabriel im Mai 2010 ein Interview, in dem er sagte, er traue Steinbrück »jedes politische Amt in Deutschland« zu. Damit war klar, dass auch der SPD-Vorsitzende persönlich der Meinung war: »Steinbrück kann Kanzler.«
    Als sich die mediale Aufregung darüber gerade gelegt hatte, war es nun an Steinbrück, sich erneut zu Wort zu melden und wiederum einen kräftigen Stein ins Wasser zu werfen. Er tat das im Hessischen Rundfunk (13.5.2010), was in Berlin wohl kaum aufgefallen wäre, wenn er sich auf die inzwischen unvermeidliche Frage zur Kanzlerkandidatur nicht erstmals wirklich eingelassen hätte. »Der Zeitpunkt wird kommen, wo ich mich in Absprache mit zwei oder drei Führungspersönlichkeiten der SPD darüber zusammensetze«, sagte Steinbrück und fügte hinzu: Wer als Kanzlerkandidat antrete, müsse dies »mit vollständiger Kraft und mehr als 100 Prozent« tun. »Wenn, dann wollen Sie gewinnen, und zwar mit jeder Faser Ihres Körpers.«
    Sofort herrschte helle Aufregung im linken Lager der SPD, während Vertreter vom rechten Flügel darauf bestanden, dass der Exfinanzminister doch nur Selbstverständlichkeiten ausgesprochen habe. Aber diese Sichtweise sollte in Wahrheit wohl nur die von links hereinrollenden Empörungswogen glätten. Mit der Aussage nämlich, dass er, Peer Steinbrück, der einfache Abgeordnete, die K-Frage im engsten Führungskreis der SPD besprechen und mitentscheiden werde, zeigte überdeutlich, dass seine Kandidatur nicht mehr nur als mediale Erfindung gelten konnte, sondern zur realen Option herangereift war. Zumal Steinbrück keinen Zweifel daran gelassen hatte, dass er sich die Aufgabe natürlich vollständig zutraute.
    Das hatten auch andere so verstanden. Sichtlich verstimmt gab SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles im Tagesspiegel (15.5.2010) zu Protokoll: »Selbstausrufungen sind in einer modernen demokratischen Partei wie der SPD aus der Mode gekommen.« Auch andere Vertreter des linken SPD-Flügels reagierten und monierten eine »Debatte zur Unzeit«.
    Darauf wiederum musste der Parteivorsitzende reagieren, der einer solchen Debatte nicht tatenlos zusehen mochte. Gabriel hatte wenige Jahre zuvor im Gerangel um Kurt Beck mitbekommen, wie gefährlich es sein kann, wenn man solche Personalfragen nicht regelt, sondern eskalieren lässt. Beck, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und nach dem überraschenden Rücktritt von Matthias Platzeck Anfang 2006 Vorsitzender der SPD, hatte sich im Ringen um die Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl 2009 taktisch in die Ecke manövrieren lassen. Als SPD-Chef musste er schon aus Gründen der Selbstachtung darauf bestehen, zumindest als einer der denkbaren Kandidaten zu gelten. Es gäbe schließlich ein schlechtes Bild ab, wenn ein Parteivorsitzender in der Öffentlichkeit den Eindruck vermitteln würde, für eine Kanzlerkandidatur nicht geeignet zu sein.
    Neben Beck war damals auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier im Gespräch. Die beiden versäumten es, die unvermeidliche Diskussion um den besten Kandidaten durch interne Verabredungen zu strukturieren oder zumindest einen Termin festzulegen, an dem die Entscheidung fallen sollte.
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