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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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nicht erst kommen. Denn nach dem bisherigem Stand der Dinge spricht nichts dafür, dass am Ende des Klärungsprozesses innerhalb der Troika mehr als ein Kandidat übrig bleibt. Die alles entscheidende Frage lautet schlicht, ob die SPD 2013 wirklich ernsthaft um Platz eins kämpfen will und dafür bereit ist, einen Kandidaten wie Peer Steinbrück auszuhalten.

Kapitel 16
    Das heimliche Netzwerk
    A nfang Juli 2011, ein sommerlicher Tag. Der Bund der Deutschen Industrie hat zu einem »Investitionskongress« geladen, doch der große Saal im Haus der Deutschen Wirtschaft in Berlin ist nur zur Hälfte gefüllt. Wie so oft bei solchen Veranstaltungen in der Hauptstadt sind weniger Leute erschienen als erwartet. Als Höhepunkt des Vormittags beim BDI steht eigentlich eine Rede von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler auf dem Programm, doch der junge Liberale musste zur Enttäuschung des Publikums kurzfristig absagen. Die Kanzlerin hatte den Wirtschaftsminister gebeten, an einem Gespräch mit dem britischen Premierminister David Cameron teilzunehmen, der sich zur gleichen Zeit in Berlin aufhält.
    Die Herren vom BDI sind verschnupft über die Absage des Ministers, zumal als Ersatz Staatssekretär Bernhard Heitzer einspringen soll, der als nicht gerade begnadeter Redner gilt. Der frühere Kartellamtspräsident, der im Auto gerade noch einen kurzen Blick auf das Redemanuskript hatte werfen können, stolpert dann auch entsprechend mühsam durch seinen Vortrag. Je länger der Auftritt dauert, desto mehr gerät er zur Qual, ebenso die anschließende Fragerunde. Nur die Etikette und das nahe Mittagessen halten die Zuhörer davon ab, den Saal in Scharen zu verlassen. Manche gähnen, andere schütteln den Kopf oder spielen mit ihren Smartphones.
    Ganz vorne in der ersten Reihe sitzt Hans-Peter Keitel, der mächtige Chef des einflussreichen Industrieverbands. Der hochgewachsene Mann mit den markanten Gesichtszügen verzieht keine Miene. Sein Blick gleitet ausdruckslos über den improvisierenden Staatssekretär hinweg und verliert sich irgendwo in der Bühnendekoration hinter dem Rednerpult. Lediglich das leichte Wippen mit den Füßen verrät die wachsende Ungeduld des BDI-Bosses. Für Keitel, der zuvor jahrelang Hochtief, den größten deutschen Baukonzern, geführt hat, ist das ermüdende Schauspiel, das er gerade erlebt, wieder einmal eine deutliche Bestätigung für seine These, dass diese schwarz-gelbe Bundesregierung eine einzige Enttäuschung ist.
    Dabei hatte sich doch gerade die Wirtschaft so viel von der angeblichen »Traumkonstellation« aus CDU, CSU und FDP versprochen. Was war ganz zu Beginn nicht alles angekündigt worden! Eine durchgreifende Steuerreform, der entschlossene Abbau der Bürokratie, mehr Investitionsanreize und mit der Verlängerung der Atomlaufzeiten auch eine Garantie für sauberen und vor allem bezahlbaren Strom. Doch schon zur Mitte der Legislaturperiode machte sich beim BDI und bei den anderen führenden Wirtschaftsverbänden Ernüchterung breit. Die große Steuerreform blieb ebenso aus wie die versprochene Entlastung der Bürger und der Unternehmen. Nicht zuletzt führte die hektische deutsche Atomwende nach dem GAU im japanischen Fukushima bei den Firmen zu Unsicherheit und steigenden Energiepreisen. Der unvermittelte Rauswurf von Bundesumweltminister Norbert Röttgen durch die Bundeskanzlerin im Frühsommer 2012 offenbarte zudem, dass der dringend erforderliche Umbau der Energieversorgung nur schleppend vorankam und weit hinter dem ohnehin schon engen Zeitplan zurücklag. Hinzu kam, dass die Eurokrise die Aufmerksamkeit Merkels und ihres Finanzministers Wolfgang Schäuble fast vollständig absorbierte. Dadurch gerieten andere wichtige Anliegen der Wirtschaft in den Hintergrund.
    Aber es waren nicht nur die ausbleibenden oder zweifelhaften Entscheidungen in Sachfragen, die Keitel und andere Wirtschaftsführer von der schwarz-gelben Bundesregierung abrücken ließen. Als Enttäuschung hatte sich recht bald auch das politische Spitzenpersonal selbst erwiesen. Der vormalige Liebling der Manager, Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, war als akademischer Hochstapler enttarnt worden. Mit dem innerparteilich umstrittenen und unpopulären Außenminister Guido Westerwelle konnte die Exportnation Deutschland im Ausland immer weniger renommieren. Der erste liberale Wirtschaftsminister, Rainer Brüderle, agierte ausdrücklich als Anwalt des Mittelstands und gefiel sich darin, der Großindustrie
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