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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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Hinzu kam, dass Beck in Berlin lediglich als Ersatzvorsitzender galt und allgemein nie wirklich ernst genommen wurde. Er schaffte es nicht, sich vom Image des Provinzfürsten zu lösen. Das ließ ihn zunehmend dünnhäutig und ehrpusselig reagieren.
    Entsprechend unglücklich wirkte der Pfälzer auch in dem von vielen Spekulationen und Falschinformationen begleiteten öffentlichen Kräftemessen mit Steinmeier, obwohl es intern bereits eine Vorverständigung gegeben hatte. Danach sollte Steinmeier am Ende der Spitzenkandidat sein. Allerdings wollte man die Entscheidung erst möglichst spät verkünden, um den Kandidaten nicht zu früh zu verschleißen. Am 7. September 2008 kam es auf einer SPD-Klausur am Schwielowsee in Brandenburg dann zum Showdown. Schon seit Langem schwelte zwischen Beck und Steinmeier ein Streit über den Umgang mit der Linkspartei. Beck wollte rot-rote Optionen offenhalten, während der Außenminister sie strikt ablehnte. In einer heftigen Debatte wurde dann diese Richtungsfrage mit der Entscheidung über die Spitzenkandidatur verbunden. Da ein Kanzlerkandidat Beck für die meisten Anwesenden chancenlos war, schlugen sich die am Schwielowsee versammelten Genossen auf Steinmeiers Seite und riefen ihn zum Kanzlerkandidaten aus. Beck konnte daran nichts mehr ändern. Ihm war die Regie entglitten; die SPD hatte ihrem Vorsitzenden für alle erkennbar das Heft des Handelns aus der Hand genommen. Da Beck ohnehin schon darunter litt, in Berlin nicht für voll genommen zu werden, zog er angesichts dieser neuerlichen Niederlage empört die Konsequenz und trat spontan vom Amt des Parteichefs zurück. »Wir waren alle überrascht und schockiert zugleich«, kommentierte Steinmeier damals das Geschehen. In der Rückschau sieht er heute in diesem schlechten Start als Kanzlerkandidat 2008 einen der Gründe für die schmerzliche Niederlage 2009. Außerdem sei es falsch gewesen, mehr als ein Jahr lang Kanzlerkandidat zu sein.
    Steinmeier zieht gerne Gerhard Schröder als Gegenbeispiel heran. Der wurde im März 1998 nach seinem überragenden Abschneiden bei der Niedersachsenwahl als Kanzlerkandidat nominiert und nahm den Schwung dieses Erfolgs mit in den anschließenden Bundestagswahlkampf. Schröder war nur ein halbes Jahr Kandidat, ehe er im Herbst 1998 den Sieg über Helmut Kohl errang. Da die Wähler sich heute immer kurzfristiger entscheiden, darf nach Einschätzung vieler Wahlkampfmanager der Spitzenkandidat nicht zu früh ausgerufen werden.
    Sigmar Gabriel versteht die dramatischen Ereignisse vom Schwielowsee als Lehrstück und Mahnung zugleich. Für ihn, der die SPD nach der Rekordniederlage 2009 erst mühsam wieder aufrichten musste, ist es als Parteivorsitzender von entscheidender Bedeutung, bei dem internen Ringen um die Kanzlerkandidatur jederzeit die Regie in den Händen zu halten. Wenn, wie bei Kurt Beck, erst einmal der Eindruck entsteht, dass der SPD-Chef selbst mit der wichtigsten Personalentscheidung seiner Partei nicht mehr viel zu tun hat, ist es um seine Autorität geschehen.
    Gabriel gab sich deshalb beim ersten Auftritt der neuen Troika im Sommer 2011 vor der Bundespressekonferenz auch keine Mühe, den Urheber dieser Idee zu verschweigen. Er selbst wolle, dass die SPD mit drei starken Persönlichkeiten wahrgenommen werde, begründete er die Präsentation des Trios. Und was Steinbrück anbelange, so brauche der gar kein Amt. Schließlich sei der ehemalige Finanzminister schlicht derjenige, der die »finanzpolitische Expertise habe« und zusammen mit dem früheren Außenminister Steinmeier »gezeigt hat, wie man internationale Finanzkrisen solide handhabt«. Steinbrück, so betonte Gabriel, genieße in dieser Frage »zusammen mit Frank-Walter Steinmeier in der öffentlichen Wahrnehmung das größte Vertrauen«.
    Seit Inthronisierung der Troika kann man in Wellenbewegungen verfolgen, wie gut es Gabriel gelingt, in der K-Frage wirklich das Heft des Handelns in der Hand zu behalten. Als beispielsweise die mediale Aufmerksamkeit für Steinbrück im Sommer 2011 so groß wurde, dass die Sache bereits als entschieden galt, ging Gabriel entschlossen dazwischen. In einem Interview ( Spiegel Online , 12.9.2011) machte der SPD-Vorsitzende deutlich, wer bei dieser Frage wirklich das letzte Wort hat: »Ich werde einen Verfahrensvorschlag und einen Personalvorschlag machen«, verkündete er. Und sollte es »mehr als einen Kandidaten geben«, habe er auch nichts gegen eine Urwahl des Spitzenmanns einzuwenden.
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