Steinbrück - Die Biografie
Kanzlerkandidatur schnell geschrieben. »Das alles würde ich tun, wenn ich König von Deutschland wär´« – so wie Rio Reiser in seinem populären Schlager hat auch Peer Steinbrück bereits ein ganz persönliches Regierungsprogramm formuliert. Nachzulesen in seinem Buch Unterm Strich, das sein wesentliches politisches und wirtschaftliches Credo enthält. Sein Kurs ist wirtschaftsfreundlich, wachstumsorientiert und sozialpolitisch zurückhaltend. Steinbrück legt Wert darauf, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu gewährleisten. Er will Chancengerechtigkeit, aber keine Gleich macherei. Sozialromantische Beglückungsprogramme lehnt er ab, weil er früher und klarer als andere vor der Überforderung unserer Sozialsysteme warnt.
Doch Steinbrück weiß genau, dass die SPD bei seinem persönlichen Programm nicht mitmachen würde. Für die Bundestagswahl 2013 ist also ein politischer Kompromiss gefragt, mithin ein Programm, das die Sozialdemokraten begeistert, die Bürger überzeugt und das außerdem zum Kanzlerkandidaten passt.
Steinbrück kennt die Vorbehalte vor allem des linken SPD-Flügels gegen ihn. Dennoch ist er überzeugt, bei der Mehrzahl der SPD-Anhänger durchaus auf Akzeptanz, ja auf Wohlwollen zu stoßen. Natürlich braucht er die Unterstützung der Partei, doch Wahlen werden weniger mit den Stimmen der gut 500 000 Mitglieder und ihrer Familien gewonnen, sondern hauptsächlich mit der mehrheitlichen Zustimmung der politischen Mitte. »Die Mobilisierung der eigenen Partei ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung, um bei Wahlen Mehrheiten zu erringen« – das hatte Steinbrück schon auf dem Bundesparteitag 2011 den Genossen ziemlich unverblümt ins Stammbuch geschrieben. Eine Mahnung, die auf die Neigung vieler Sozialdemokraten abzielt, in der Wärmestube eigener Gewissheiten wohlklingende Programme zu beschließen, die zwar auf Parteitagen Beifall finden, aber in der politischen Auseinandersetzung nicht mehrheitsfähig sind.
Für Steinbrück ist das ein wunder Punkt und könnte zu seiner Achillesferse werden. Er weiß, dass er als Kanzlerkandidat bei Weitem nicht alles überzeugend würde vermitteln können, was in der SPD auf Begeisterung stößt. Und damit stünde seine Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, seine politische Authentizität, denn um die geht es neben Inhalten und Positionierungen in einem Wahlkampf eben auch. Als nüchterner, wirtschaftsfreundlicher Modernisierer hat er sich das Image erarbeitet, weit in das bürgerliche Lager hinein vermittelbar zu sein. Müsste er allerdings im Wahlkampf ein Programm vertreten, das nicht zu ihm passt, wäre sein wichtigstes Kapital, nämlich seine hohe Glaubwürdigkeit, von Beginn an verspielt.
Eine wichtige Rolle beim Ausloten heikler Positionen innerhalb der Sozialdemokratie spielt Sigmar Gabriel. Der SPD-Vorsitzende würde sowohl Steinbrück als auch Frank-Walter Steinmeier verhindert haben, wenn er nach dem Wahldebakel von 2005 einfach programmatisch eine radikale Rolle rückwärts geduldet hätte. Forderungen, die Agenda 2010 nicht nur zu korrigieren, sondern gleich vollständig einzustampfen, gab es mehr als genug. Dazu die vollständige Rückabwicklung der Rente mit 67, eine Spitzensteuer von 52 Prozent in Verbindung mit einer Vermögensteuer und höheren Erbschaftsteuern, ein Ausbau der sozialen Sicherungssysteme – und schon wären die beiden »Stones« außen vor gewesen, weil keiner von seinem Ansatz her eine solche Politik glaubhaft vertreten könnte. Vor allem Steinbrück nicht.
Gabriel mag die Versuchung, seine potenziellen Konkurrenten durch ein dezidiert linkes Wahlprogramm einfach abzuschütteln, sicher mehrfach verspürt haben. Immer wieder drängte ihn die Parlamentarische Linke oder die AfA, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD, zu einer radikalen Kurskorrektur. Doch der Parteichef, dem Populismus und Stimmungsschwankungen zwar nicht fremd sind, war immer klug genug, die Sozialdemokratie nicht allzu weit nach links abdriften zu lassen. Trotzdem setzte er Änderungen durch, die für den Modernisierer Steinbrück schon eine ziemliche Zumutung bedeuteten.
Das wohl schwierigste Thema aus seiner Sicht ist die Absicht der Sozialdemokraten, mit der Forderung nach Steuererhöhungen in den nächsten Bundestagswahlkampf zu ziehen. Nachdem die SPD in der rot-grünen Regierung und in der nachfolgenden Großen Koalition die Steuerlast der Bürger und Unternehmen in mehreren Schritten gesenkt hat, muss
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