Steinbrück - Die Biografie
Als Ministerpräsident war der Sozialdemokrat oft in der Villa Hügel zu Gast, dem alten Familiensitz der Essener Stahldynastie.
Jetzt bildet der Aufsichtsrat von Thyssen-Krupp die Keimzelle des komplexen Beziehungsgeflechts, das Steinbrück zur Wirtschaft pflegt. In dem Kontrollgremium des Traditionskonzerns trifft er in der Villa Hügel regelmäßig einflussreiche Männer wie Gerhard Cromme, den langjährigen Chef von Thyssen-Krupp, der sich als einer der wenigen Topmanager in Deutschland stets auch politisch und gesellschaftlich engagiert hat. Cromme saß lange der Corporate-Governance-Kommission für gute Unternehmensführung vor und ging bei den Kanzlern und Ministern der verschiedenen Bundesregierungen ein und aus.
Auch Ulrich Lehner zählt zu Steinbrücks Netzwerk. Der Manager stand viele Jahre an der Spitze von Henkel, war Präsident des Verbands der Chemischen Industrie und führt heute den Aufsichtsrat der Deutschen Telekom AG. Zudem gibt es eine Frau, die zu seinen Unterstützern zählt und die er ebenfalls in der Villa Hügel trifft: Carola Gräfin von Schmettow. Die 47-jährige Düsseldorferin mit den wachen Augen sitzt im Vorstand der Privatbank HSBC Trinkaus & Burkhardt und zählt zur jüngeren Garde der Topmanager in Deutschland.
Die Bankerin mit einer Vorliebe für Abenteuerreisen repräsentiert aber nicht als Einzige das Kreditgewerbe in Steinbrücks Netzwerk. Die beiden wichtigsten und zugleich belastbarsten Kontakte dort sind älteren Datums, stammen bereits aus der Zeit vor der Krise: Jens Weidmann und Jörg Asmussen bekleideten wichtige Positionen in der Bundesregierung, bevor sie in die Finanzbranche wechselten. Weidmann, der heutige Bundesbankpräsident, war Leiter der Wirtschaftsabteilung im Kanzleramt und während der Weltfinanzkrise einer der wichtigsten Berater von Angela Merkel. Auch Peer Steinbrück hat auf seinen Rat gehört. Letzteres gilt ebenfalls für Jörg Asmussen, heute Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank und davor Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er war auf deutscher Seite der entscheidende Kopf bei den G-20-Verhandlungen über die Reform der Finanzmärkte.
Die beiden ehemaligen Regierungsberater Weidmann und Asmussen zählen heute seitens der Banken zu den einflussreichsten und am besten informierten Entscheidungsträgern. Da die Eurokrise bis in das Wahljahr 2013 von Bedeutung sein wird und möglicherweise bei einer neuerlichen Zuspitzung den Ausgang der Bundestagswahl mitentscheiden kann, ist der direkte Draht zum Bundesbankpräsidenten und zum Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank für jeden potenziellen Kanzlerkandidaten von unschätzbarem Wert. Vor allem zu Asmussen, den Steinbrück in seiner Zeit als Finanzminister zum Staatssekretär befördert hat, pflegt er bis heute ein enges Vertrauensverhältnis. Wenn Asmussen in Berlin ist, schaut er regelmäßig bei Steinbrück vorbei. Ob es darum geht, fundierte Einschätzungen zu aktuellen Entwicklungen zu erhalten oder die erforderlichen Strategien der Zukunft zu planen – Asmussen, selbst Mitglied der SPD, ist für Steinbrück ein verlässliches Pfund, mit dem er im Stillen wuchern kann.
Das geheime Netzwerk wird abgerundet durch vier namhafte Sozialdemokraten, die tatkräftig seine Kanzlerkandidatur unterstützen. Allen voran Gerhard Schröder: Der Exkanzler hat Steinbrück bis heute nicht vergessen, wie unerschütterlich dieser die Agenda 2010 gegen ihre zahlreichen innerparteilichen Kritiker verteidigt hat, obwohl er damals, 2005, in einem extrem schwierigen Landtagswahlkampf stand. Allerdings geht es Schröder bei seinem Einsatz vor und hinter den Kulissen zugunsten von Steinbrück nicht um die Belohnung einer politischen Nibelungentreue, sondern um die Erfolgschancen der SPD. Und von allen drei Bewerbern traut er eben am ehesten Steinbrück ein gutes Ergebnis gegen Merkel zu. Schröder glaubt, dass mit ihm die Chance besteht, die SPD wieder für eine wachsende Zahl von Menschen attraktiv zu machen. Zudem sei Steinbrück als Minister der Großen Koalition »die eigentlich führende Figur in der Finanzkrise« gewesen. Zu guter Letzt betrachtet Schröder den Parteifreund als »einen eigenen Kopf und einen unabhängigen Geist«, weshalb er »hohen Respekt für ihn« habe.
Nachdem Schröder sich lange zurückgehalten hatte, sprach er in einem Interview mit der Welt am Sonntag vom 13. Mai 2012 öffentlich eine Empfehlung für seinen Favoriten aus: »Mich würde es freuen, wenn
Weitere Kostenlose Bücher