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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Goffart
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Steinbrück jetzt für eine klare politische Kehrtwendung werben. Alleinverdiener mit einem jährlichen Einkommen von mehr als 100 000 Euro und Verheiratete mit mehr als 200 000 Euro pro Jahr sollen künftig einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent bezahlen. Das wären sieben Prozent mehr als heute – ein tiefer Griff in die Taschen der vermeintlich »Reichen«. Steinbrück seinerseits fand schon die von der Großen Koalition durchgesetzte Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozent problematisch. Jetzt also soll er erneut seine Hand zu einer Steuererhöhung reichen?
    Wenn er sich damit jemals schwergetan hat, dann lässt er sich das jetzt nicht mehr anmerken. Nein, er trage das Steuerkonzept nicht nur mit, weil es der Parteilinie entspreche, betont er immer wieder. Er stehe innerlich voll dahinter. »Ich bin überzeugt, dass wir angesichts der dringenden Aufgaben die finanzielle Ausstattung des Staates unbedingt verbessern müssen«, lautet der in vielen Auftritten eingeübte Kernsatz. Im Jahr zuvor klang das noch erheblich vager. Seine Kritik an den unhaltbaren Steuersenkungsplänen der FDP verband er jedenfalls nicht damit, einer Erhöhung das Wort zu reden. »Ich sage Ihnen offen, dass wir Sie zwar auch gerne entlasten würden, aber wir versprechen Ihnen das nicht.« Die meisten verstanden das als Garantie des Status quo und sehen sich jetzt getäuscht. Die Sozialdemokraten wollen eindeutig die Besserverdienenden abkassieren.
    »Ganz falsch« findet denn auch Altbundeskanzler Gerhard Schröder die Steuererhöhungspläne seiner SPD und die Vertreter der Wirtschaftsverbände sowieso. Auch in den Medien hagelte es Kritik. Als »Rolle rückwärts« charakterisierte das Handelsblatt die Entscheidung der SPD, die einst beschlossenen Entlastungen der Bürger bei der Einkommensteuer glatt in ihr Gegenteil zu verkehren.
    Inzwischen schneidet Steinbrück bei seinen Auftritten das heikle Thema immer gleich zu Beginn an. »Wir werden Sie um einen etwas höheren Beitrag zum Gemeinwesen bitten müssen«, lautet seine Standardformulierung. Beifall hat er dafür außerhalb von SPD-Veranstaltungen noch nie erhalten – das müsste ihm eigentlich zu denken geben. Meistens ist es sogar ziemlich still im Saal, wenn er im Stil eines Spendeneintreibers erklärt, wofür das viele zusätzliche Geld denn so dringend gebraucht werde. Für die im Zuge der Schuldenbremse beschlossene Rückführung der Neuverschuldung auf null, für den Erhalt und die laufende Modernisierung der gewaltigen Infrastruktur in Deutschland sowie für die notwendigen Anstrengungen im Bereich Bildung, Ausbildung und Forschung. Und nicht zuletzt will Steinbrück die stellenweise dramatische Unterfinanzierung der Kommunen mit den zusätzlichen Einnahmen verringern.
    Dass inzwischen die Steuerquellen wieder kräftig sprudeln und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sich von Quartal zu Quartal über höhere Zuflüsse freuen kann, als ursprünglich im Haushalt eingeplant, blendet Steinbrück lieber aus. Dabei handelt es sich aufgrund der guten Wirtschaftsentwicklung um zusätzliche Einnahmen von fast 30 Milliarden Euro, die nach den letzten Prognosen des Arbeitskreises Steuerschätzung vom Mai 2012 dem Fiskus bis 2016 zufließen dürften. Wenn man schon keine Entlastungen will, in Ordnung. Aber braucht es angesichts der kräftig sprudelnden Zusatzeinnahmen wirklich noch eine Erhöhung der Steuern, zumal die Einhaltung der Schuldenbremse auch ohne eine solche erreichbar ist?
    Das größte Handicap dieses Vorhabens liegt in der zusätzlichen Belastung des Mittelstands. Rund 90 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland sind in der Rechtsform einer Personengesellschaft organisiert. Als solche zahlen sie Einkommensteuern und keine Körperschaftsteuern; sie wären also von der Erhöhung des Spitzensteuersatzes direkt betroffen. Nun könnte man argumentieren, dass ein Handwerksmeister oder Kleinunternehmer, der mit seinem Betrieb mehr als 100 000 Euro pro Jahr verdient, sicherlich in der Lage sei, eine zusätzliche Last zu schultern. Dabei wird jedoch übersehen, dass die Bereitschaft, neues Geld in die Firma zu investieren und mehr Arbeitsplätze zu schaffen, sicherlich nicht dadurch erhöht wird, wenn die zusätzlichen Gewinne fast zur Hälfte wieder an den Staat abgeführt werden müssen. Das Argument, unter Helmut Kohl seien sogar 52 Prozent Spitzensteuersatz fällig gewesen, zeigt nur den geringen Ehrgeiz der SPD, es in dieser Hinsicht wirklich

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