Steine der Macht (German Edition)
bislang orientiert hatten, plötzlich in einem Tunnel verschwand. Linda war still geworden und schaute nur ängstlich auf die vorbeiflitzenden Bäume, welche in weniger als fünfzig Metern Entfernung neben dem Flugzeug zu sehen waren. Dann kam eine Abzweigung in ein Tal. Rechts hineinfliegen oder geradeaus weiter? Aus dieser Perspektive hatte Wolf diese Gegend auch noch nie gesehen. Er musste nun rasch handeln, denn flog er in das falsche Tal, war in dieser extrem niedrigen Höhe wegen der Enge zwischen den Bergen ein Umkehren unmöglich. An die Folgen eines solchen Fehlers zu denken, hatte er aber kaum Zeit. Rechts war richtig, irgendwie hatte er die Geografie im Kopf und wenn auch die Häuser am Berghang bereits in gefährliche Nähe kamen, so waren sie aber doch auf dem richtigen Weg. Linda sah ein Auto unten auf der Straße, sie konnte sogar das Gesicht des Fahrers erkennen. Sie dachte an ihre Kinder zu Hause und hatte spätestens bei der zweiten rechtwinkeligen Talabzweigung, in welche Wolf mit einer Sechzig-Grad-Steilkurve hineinflog, mit ihrem Leben abgeschlossen. Ihre Fluggeschwindigkeit betrug immerhin 160 Stundenkilometer.
Luke Skywalkers Flug durch die Schluchten des Todessternes im Film „Krieg der Sterne“ ging ihr durch den Kopf und sie würde Wolf diesen Vergleich später einmal, wenn sie das heil überstehen würden, erzählen.
Dieser bemerkte nichts von Lindas Endzeitgedanken, er war zu sehr mit dem Zick-Zack-Kurs durch dieses enge Tal beschäftigt. Auf der linken Seite des Berghanges standen einige Häuser und er konnte bei einigen tatsächlich, wenn auch nur für Sekundenbruchteile, bei den Fenstern hineinsehen.
„Schau, ob du die Masten einer Stromleitung irgendwo am Hang entdeckst, falls so ein Kabel in unserer Flughöhe das Tal überspannt, könnte das fatale Folgen für uns haben.“
Noch einmal die Cessna auf die Schneide gestellt, diesmal in einer Linkskurve, ruhig bleiben und sie waren durch.
„Ein bisschen Abwechslung schadet doch nicht“, meinte Wolf zu der geschockten Linda, die noch immer kein Wort sagte. „War doch der erste Teil des Rückfluges von Fuerteventura bis auf den Sandsturm über dem Atlantik so ruhig, dass es schon fast langweilig wurde.“ Damit wollte er Linda zu einer Antwort ermuntern, welche er aber nicht erhielt. Sie saß nur still im Cockpit, als müsste sie erst einmal realisieren, dass das Leben nun doch noch weiterging. Am Ende des Tales, welches inzwischen recht breit wurde, flogen sie über die Staatsgrenze nach Österreich. Hier waren keine italienischen Militärflugzeuge mehr zu erwarten und Wolf zog die Maschine nach oben. Er meldete sich bei der österreichischen Flugsicherung, ersuchte um eine Flughöhe über den Wolken und nach einer halben Stunde hatten sie endlich den Alpenhauptkamm passiert.
Als sie dann im Landeanflug auf Salzburg dem Untersberg recht nahe kamen, meinte Wolf:
„Wenn der General da drinnen im Berg wüsste, was wir alles erlebt haben, nur wegen dieser zwei Bleizylinder.“
„Mich würde vielmehr interessieren, was da drinnen ist“, sagte Linda, welche sich mittlerweile wieder beruhigt hatte, und sie freute sich schon, dass dies die letzte Landung dieser Reise sein würde. Da sie nun aus Spanien, einem EU-Land, kamen, war auch keine Zollkontrolle vorgesehen und sie konnten mit der Maschine direkt zum Hangar rollen und ihr Gepäck ausladen.
Wieder zu Hause wollte sich Wolf die Bleizylinder nun in Ruhe ansehen. Wenn er ein kleines Loch an der Stirnseite des Zylinders bohren würde, dann könnte er mit einer Mikrokamera, welche er für seine Versuche zu Hause hatte, hineinfahren und am Computer sehen, was sich da in dem Behälter befand. Die Bohrung könnte er anschließend wieder sorgfältig mit Blei verschließen und niemand würde etwas merken. Das Bohren war eine einfache Sache und als er die kleine Kamera hineinsteckte und auf den Monitor sah, da stockte ihm fast der Atem. Im Bleizylinder war, in Watte eingebettet, ein länglicher Kristall in einer wunderschönen blauen Farbe.
Wolf, der ja mit Edelsteinen bestens vertraut war, konnte aber aufgrund der Bilder am Computer nicht sagen, um welchen Stein es sich hier handelte. Ein Saphir war es sicher nicht. Auch ein Topas kam da nicht infrage. Es war eine sehr kräftige, fast dunkelblaue Farbe. Ein Iolith vielleicht? Am liebsten hätte Wolf den Zylinder aufgeschnitten und den Kristall mit dem Refraktometer untersucht. Damit konnte man so gut wie jeden Edelstein bestimmen.
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