Stella Menzel und der goldene Faden (German Edition)
nicht gut – bis Stellas Oma Josephine vorschlug, Isabel solle Stella den Himmel zurückgeben. «Ich mache eine Decke daraus», bot Josephine an.
Isabel seufzte, erlaubte ihrer Mutter aber, die Änderungen vorzunehmen. Auf diese Weise gab es für sie zumindest die Chance, wieder einmal durchzuschlafen.
Stella liebte ihre Decke über alles – so wie alle Kinder ihre Teddybären und Stoffhäschen, ihre Puppen und Schmusetücher über alles lieben. Von dem Tag an, als Stella laufen konnte, nahm sie die Decke überallhin mit, meist schleppte sie die Decke auf dem Fußboden hinter sich her. Josephine konnte nicht mit ansehen, wie das Erbstück ihrer Mutter behandelt wurde. Also faltete sie die Decke einmal zusammen, verschloss sie mit Druckknöpfen und ließ sie Stella als Umhang tragen. Stella ging damit zum Strand, zum Spielplatz und zu ihrer U 7 -Vorsorgeuntersuchung bei Kinderärztin Dr. Dreier. Wenn ihr kalt war, wärmte sie sich damit. Wenn sie nass war, trocknete sie sich damit ab. Wenn sie müde war, schlief sie damit. Sie gab ihr sogar einen Namen: Schneestern. Die Leute hielten Stella auf der Straße an und sagten: «Oh, was für eine hübsche Decke! Meine Güte – ist das etwa reine Seide?» Stella hatte keine Ahnung, was reine Seide war, aber es klang definitiv nach etwas, das sie unbedingt besitzen sollte, darum nickte sie und erwiderte: «Sie heißt Schneestern.» Und dann sagten die Leute: «Oh, was für ein schöner Name.» Über ihren Namen, Stella, sagte das nie jemand (obwohl Stella eigentlich ein anderes Wort für Stern war), deshalb fing Stella irgendwann an, sich ebenfalls Schneestern zu nennen. Das verursachte etliche Probleme.
«Stella läuft auf dem Spielplatz herum und erzählt allen, dass sie Schneestern heißt», sagte ihre Tagesmutter Netti zu Mikhail, als er seine Tochter eines Tages abholte. «Das ärgert die anderen Kinder in der Gruppe, weil sie denken, sie macht sich über sie lustig.»
«Oma?», fragte Stella.
«Hm?»
«Hab ich wirklich gesagt, dass ich Schneestern heiße?»
«Ja, das hast du.»
«Ich erinnere mich nicht mehr.» Stella legte ihren Kopf auf Josephines Schulter und gähnte.
«Das war letztes Jahr», sagte Josephine.
«Ist das lange her?», fragte Stella.
«Kommt drauf an. In einem Jahr kann viel passieren.» Sie blickte zu Stella hinunter. «Müde?»
Stella schüttelte den Kopf.
Netti, die älter war als Stellas Mutter, aber jünger als Stellas Großmutter, war laut Stella für eine Tagesmutter ganz okay. Aber sie war nicht weich und hübsch wie ihre Mutter oder gut gepolstert wie ihre Oma Josephine, die weithin bekannt war als bequemster Lehnstuhl südlich des IKEA -Hauptquartiers in Schweden. Netti trug selbst im Sommer Stiefel, und sie war groß und knochig und nicht gut zum Draufsitzen geeignet. Sie saß nie still. Ihre Knie waren spitz, und mit ihren Ellbogen stieß sie ihre Schützlinge ständig in die Rippen oder in den Bauch – ohne Absicht natürlich.
«Wer hat dir das erzählt?», fragte Stella ihre Großmutter. Sie stemmte die Hände in gespielter Entrüstung auf die Hüften. «Wer?»
«Ein kleines Vögelchen», sagte Josephine und zwinkerte Stella zu.
Eines Tages sagte Netti zu Stellas Vater: «Bitte erklären Sie Stella, sie soll den anderen Kindern nicht sagen, dass sie Schneestern heißt. Das verwirrt sie. Sie heißt Stella.»
Mikhail redete mit Stella, und sie nahm es sich zu Herzen. Wann immer Stella von da an bei Netti war und jemand sie fragte, wie sie heiße, antwortete sie: «Stella.» Sie lächelte Netti liebenswürdig zu, drehte sich dann wieder zu dem Fremden und ergänzte: «Stella Schneestern .»
Das ging eine Weile so weiter – bis an einem Tag im Frühsommer zwei Drachen aus einem langen Schlummerschlaf erwachten. Und –
«Drachen?», lachte Stella. «Du meinst zwei
Schäferhunde
.»
«Bist du sicher?», fragte Josephine.
«Ja!», kicherte Stella.
«Vielleicht hast du recht … An einem Tag im Frühsommer erwachten zwei Schäferhunde aus einem langen Schlummerschlaf, und dann schlug das Unheil zu. So – ab ins Bett mit dir.» Josephine stand auf.
Stella zog an ihrem Arm. «Aber die Geschichte? Ist sie schon zu Ende?»
«Nein, natürlich nicht. Das ist nur der Anfang. Aber erst musst du noch ein bisschen leben, bevor wir weitererzählen.»
Stella dachte kurz darüber nach und sagte dann: «Du meinst, groß werden?»
«Ja. So ungefähr.»
«Gut», sagte Stella und stand auf. «Das
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