Sten 8 Tod eines Unsterblichen
niemand in der gesamten Gruppe an dieser Stelle auch nur zusammengezuckt war - einer Gruppe, die jede Ecke und jeden Winkel des gesamten Imperiums repräsentierte. Nirgendwo hatte er auch nur ein Flüstern bezüglich der Erniedrigung feststellen können, die seine Leute erst vor kurzem aus der Hand des ärgsten Feindes des Imperators erlitten hatten: aus der Hand Stens.
Kenna wies auf das überlebensgroße Porträt des Imperators, das auf sie alle herabblickte. "Aus Gründen, die nur unser weiser Führer erläutern kann, ist das Volk von Dusable erneut geehrt worden."
Während er redete, schweifte Kennas geübter Blick über die Menge. Er spürte ihre Stärken und ihre Schwächen. Machte Parteigänger und Feinde aus. Er mochte von Sten erniedrigt worden sein, doch das bedeutete noch lange nicht, daß er seine Fähigkeiten als Manipulator verloren hatte.
Er und Avri hatten diesen Moment umsichtig vorbereitet. Im Anschluß daran würden sie den Erlaß des, Imperators präsentieren. Einen höchst kontroversen Erlaß, bei dem man sich zu Anfang nicht sicher gewesen war, ob er auch durchgehen würde.
Viele Gefälligkeiten und noch mehr Geld waren in den dunklen Korridoren des Parlaments hin und her geschoben worden. Die gute alte Mordida brachte der List des Imperators eine Vielzahl von Stimmen ein. Aus Gründen, die Kenna lieber nicht näher erörterte, hatte auch Poyndex freiwillig seine Hilfe angeboten. Man hatte sämtliche alten Datenbestände über die Oppositionsvertreter nach Ansatzpunkten für schwache Stellen und
Erpressungen durchkämmt. Das brachte noch mehr Stimmen.
Trotzdem würde es sehr knapp werden.
In der Politik reicht knapp allemal aus, ein Königreich zu regieren.
"Verehrte Anwesende, ich bin hier, um Ihnen diesen bemerkenswerten Vorschlag zu unterbreiten.
Man verlangt von uns, daß wir den Schleier von unseren Augen ziehen. Damit wir das sehen, was wir vor lauter Blindheit all die Jahre nicht sehen konnten.
Nämlich die Tatsache, daß wir mit dem Glück geschlagen sind, in Zeiten zu leben, in denen ein lebendiger Gott unter uns wandelt. Und dieser Gott ist unser guter und heiliger Ewiger Imperator.
Dessen Unsterblichkeit vor uns steht wie ein eherner Schild gegen die harten Schläge der Geschichte.
In der Verkörperung seines Wesens schreitet unser Ruhm uns immer weiter voraus. Unser Ruhm, der auch der seine ist. Und sein Ruhm, der auch unserer ist.
Verehrte Anwesende ... Ich richte die Frage an Sie. Lassen Sie uns jetzt ein für alle Mal bekräftigen, daß der Ewige Imperator unser rechtmäßiger Gott ist."
Eine leichte Unruhe kam auf. Die Katze war aus dem Sack.
Der Imperator verlangte eine parlamentarische Bestätigung seiner Göttlichkeit.
Kenna wandte sich an den Sprecher, eine alte, würdevolle Marionette des Imperators. "Sr.
Sprecher", intonierte Kenna, "stellen Sie die Frage."
Die graue Schnauze des Sprechers schob sich nach vorne, die implantierten Eckzähne entlarvten eine seltsame Eitelkeit in diesem uralten, faltigen Gesicht. "In Sachen PB 600323, Titel Erklärung der Göttlichkeit des Ewigen Imperators, Untertitel >Es soll beschlossen werden, daß der Imperator den Titel
>Heilig< sowie alle anderen Wertformen, die allgemein als Bezeichnung der respektvollen Anbetung bekannt sind, tragen darf< ... wie entscheiden Sie, verehrte Anwesende?
Alle, die dafür sind ... sagen "Ja."
Ein choreographierter vielstimmiger "Ja"-Chor erhob sich in der Halle - übertönt von lauten Protestrufen. Die Rufe wuchsen sich zu einem Gebrüll aus, das den weiteren Fortgang des Geschehens unter sich begrub. Eine einzige Stimme erhob sich über den Lärm.
"Sr. Sprecher! Sr. Sprecher! Zur Tagesordnung, bitte. Zur Tagesordnung!"
Der Sprecher versuchte die Stimme zu ignorieren.
Sein Hammer fuhr dröhnend nieder. Er fühlte sich besonders beschämt, weil die Stimme einem Angehörigen seiner eigenen Spezies gehörte, einem gewissen Nikolayevich, einem jungen Heißsporn von Keiler.
Der Hammer klopfte ein wildes Stakkato.
Pultmikros verstärkten die Schläge, und das Hämmern donnerte durch die Halle. Doch eine ungehorsame Meute nahm Nikolayevichs Schrei auf:
"Tagesordnung! Tagesordnung!" Mehr Stimmen kamen hinzu und übertönten die hämmernden Schläge. "Laßt ihn reden! Laßt ihn reden!"
Der Sprecher richtete seine hilflosen alten Augen auf Kenna. Es gab nichts mehr, was er tun konnte.
Jedenfalls nicht in aller Öffentlichkeit. Kenna bedeutete ihm: Laßt ihn reden! Dann schob er eine Hand
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