Sten 8 Tod eines Unsterblichen
links und rechts vom Podium aufstellten.
Baseeker und die Kultisten strömten um die Soldaten herum, versammelten sich um den Imperator und warfen sich ihm zu Füßen. Ein Nest aus weißgekleideten Engeln mit Messern.
Kenna kam aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Auch die anderen starrten ungläubig auf das Geschehen. All die alte Mythen nahmen Gestalt an und breiteten sich wie Nebel rings um sie aus. Ein uralter Nebel, der aus den kalten Tiefen mehrerer Jahrtausende heranwehte. Das war das Wesen, das sie alle schon seit so langer Zeit regierte.
Vielleicht war er wirklich ein Gott.
"Mir wurde berichtet", sagte der Imperator mit leiser Stimme, "daß es in dieser Versammlung zu Mißtönen gekommen ist."
Sein Publikum mußte sich nicht anstrengen, um ihn zu hören. Denn obwohl seine Stimme leise war, wirkte sie irgendwie bedrohlich.
"Für gewöhnlich schenke ich eurem Gejammer keine Beachtung", fuhr der Imperator fort. "Dieses Recht gestand ich euch zu, als ich dieses Parlament kraft der Imperialen Verfassung ermächtigte. Es ist, zugegebenermaßen, eine rechte Plage. Aber das liegt nun einmal in der Natur der Demokratie begründet, und ich hatte genügend Zeit, mich daran zu gewöhnen."
Nikolayevich, der unter den Zuhörern stand, bemerkte kaum, daß sich ihm jemand näherte. Es war Avri.
"Die Natur dieser Mißtöne hat mich jedoch dazu bewogen, hier vor euch zu erscheinen.
Offensichtlich sollen eurem Imperator einige Auszeichnungen zuteil werden. Auszeichnungen, die ich, wie ich hier anführen muß, keinesfalls verlangt habe. Sie wurden mir von meinen Untertanen auferlegt." Die Hand des Imperators vollführte eine Geste, die die weißgekleideten Kultisten umfaßte.
"Sie behaupten, ich sei ein Gott. Sie haben mir Tempel errichtet. Tempel, in denen Millionen anderer Gleichgesinnter mich anbeten. In diesen Tempeln wird Weisheit und Geduld und Sanftmut gepredigt; Attribute, die ihrer Überzeugung nach der Grundstock meiner Göttlichkeit sind."
Nikolayevich spürte eine Bewegung an seiner Gürteltasche; ein kleines Päckchen fiel hinein. Er strich sofort darüber. Vermutlich eine Nachricht von einem Verbündeten, dachte er. Er kümmerte sich nicht weiter um die Gestalt, die sich zielstrebig von ihm entfernte.
"Ich habe immer die Religionsfreiheit für meine Untertanen hochgehalten. Deshalb war ich nicht wenig schockiert darüber, als ich erfahren mußte, daß diese sanften Wesen, die mich anbeten, auf brutale Weise ihrer religiösen Überzeugungen wegen verfolgt werden.
Ich verfüge jetzt sogar über unwiderlegbare Beweise dafür, daß diese Verfolgung in direkter Verbindung zu der Verschwörung steht, die der Verräter Sten gegen mich angezettelt hat.
Unaussprechliche Taten wurden von Sten gegen die Gläubigen ausgeführt, weil er meinte, ihre tief empfundenen Wahrheiten stünden ihm auf dem Weg zu meinem Thron im Wege.
Denn wenn ich ein Gott bin, würde sich ihm wohl niemand mehr anschließen. Ihr seht also, sogar mein größter Feind ist ein Gläubiger. Ein Satan, der nur als Gegenbild zu seinem perfekten Herrn existieren kann."
Sein seltsamer logischer Eiertanz brach einen Augenblick lang den Zauber, der Nikolayevich gepackt hatte. Er zog die Nachricht aus seiner Gürteltasche. Ein in Papier eingewickelter Klumpen.
Er rollte ihn aus. Der Klumpen entpuppte sich als Eckzahn, als langer, leicht gewundener Hauer; das Ende des Stumpfs war blutverschmiert. Auf dem Stoßzahn war ein Zierring zu erkennen.
Der Ring, den Nikolayevich seiner Geliebten an ihrem ersten Paarungstag geschenkt hatte. "Vor diesem Hintergrund ist die Gesetzesvorlage zu sehen, die euer Sprecher heute zur Abstimmung vorgelegt hat. Ein Hintergrund, den ich bis zu diesem Augenblick aus Gründen der Staatssicherheit hinsichtlich des Verräters Sten geheimgehalten habe.
Der Erlaß wird der Verfolgung dieser
unschuldigen Wesen ein Ende bereiten. Ein Erlaß, der zugleich einen schwerwiegenden moralischen Schlag gegen meinen schlimmsten Feind bedeutet.
Ein Erlaß, der das anerkennt, was schon all die Jahrtausende so schmerzlich offensichtlich war. Ich habe lange Zeit über euch und eure Vorfahren gewacht. Ich habe euch ernährt und gekleidet, habe die Bedingungen geschaffen, unter denen ihr euch in Frieden entfalten konntet."
Der Kopf des Imperators senkte sich. "Ach", sagte er, "manchmal bin ich es so leid ..."
"Heil dem Heiligen Imperator!" kreischte Baseeker. "Heil, o Großer Herr!"
Die anderen Kultisten nahmen den Schrei auf:
"Heil
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