Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman
Trotzdem hätte ihn diese Nachricht veranlasst, gewisse Erkundigungen einzuziehen, deren Ergebnis ihn entsetzt habe.
»Wie ich aus zuverlässiger Quelle weiß, kreist bereits seit mehreren Wochen über der Stadt Cosenza und ihrer Umgebung ein Hubschrauber, der angeblich eine detaillierte Untersuchung des Geländes vornimmt unter dem Vorwand, nach geeigneten Drehorten für meinen Film zu suchen. Meinen Film!« Er appellierte mit einer charmanten Geste an seine Interviewerin. » Signorina , ob Sie nun meine Arbeiten mögen oder nicht …«
»Nein, wirklich, ich …«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber was ich eigentlich sagen will, selbst meine schärfsten Kritiker haben mir nie abgesprochen, dass ich un autore bin. Jeder meiner Filme ist in jeder Hinsicht und in jeder Herstellungsphase handgemacht, von der ersten Einstellung bis zum letzten Schnitt. Die Vorstellung, dass Luciano Aldobrandini die Auswahl der Drehorte einer Fremdfirma überlassen würde, ist einfach absurd! Und es braucht wohl kaum betont zu werden, dass er das noch nie getan hat. Dennoch finden diese Flüge im Auftrag meiner amerikanischen Produktionsfirma statt. Haben Sie schon mal einen Hubschrauber gemietet, signorina ? Ich ja, und glauben Sie mir, das ist nicht billig. Da dieses Geld also eindeutig nicht für die Vorbereitung meines Films ausgegeben wird, wofür wird es dann ausgegeben? Und wo bleibe ich dabei mit meinem Traum, einen letzten und bleibenden Beitrag zur glanzvollen Geschichte des italienischen Kinos zu leisten?«
Aldobrandini hob die Arme in einer symbolischen Geste der Kapitulation.
»Ich kenne die Antwort auf diese Fragen nicht, und solange ich das nicht tue, kann ich kein Vertrauen mehr zu den Leuten haben, die dieses Projekt vorgeschlagen und versprochen haben, es zu finanzieren. Deshalb beende ich hiermit, wenn auch äußerst ungern, jede persönliche und professionelle Verbindung zu dieser ganzen traurigen Angelegenheit. Es ist ein trauriger Tag für mich, ein trauriger Tag für die Kunst und ein trauriger Tag für Italien.«
Martin Nguyen schaltete den Fernseher aus, als die Moderatorin sich gerade bei ihrem Gast bedankte und mühelos zur Werbepause überleitete.
»Ach du Scheiße!«, sagte er.
»Ja, der war ganz schön geladen«, erwiderte Tom ungerührt. »So nach dem Motto, keiner nimmt mich mehr für voll, nun, wo ich die besten Jahre hinter mir habe.«
»Der Typ ist ein Genie«, sagte Martin mit ehrfürchtig gedämpfter Stimme.
Tom machte eine skeptische Geste. »Darüber sind die Meinungen der Kritiker noch geteilt. Ich mag seine frühen Filme wie Terra Bruciata . Das war einer der Lieblingsfilme meiner Mutter. Sie hat gesagt, das wär genau so, wie die Leute, dort, wo sie aufgewachsen ist, gelebt hätten.«
»Ich rede nicht von seinen Scheißfilmen!«, brüllte Martin. »Er hat uns gerade gekillt, live im wichtigsten TV-Programm! Das wird bald überall in den …«
Das Telefon im Zimmer klingelte. Martin zeigte mit dem Daumen darauf. »Geh ran.«
Das tat Tom. Er hörte längere Zeit zu und warf nur gelegentlich ein » Ho capito «, » Senz’altro « und »D’accordo, signore « ein. Dann wandte er sich wieder Martin zu.
»Das war das Büro der Bürgermeisterin. Sie wollen, dass Sie sich morgen früh um zehn Uhr dort einfinden.«
»Einfinden? Was soll denn der Scheiß heißen?«
»Entschuldigung, ich hab Italienisch gedacht. Ins Rathaus kommen, um mit denen zu reden.«
»Weshalb?«
»Es geht um die Genehmigung für diese Hubschrauberflüge, die man Ihrer Firma erteilt hat. Anscheinend läuft die in achtundvierzig Stunden aus. Die wollen im Grunde wissen, ob an Aldobrandinis Behauptungen etwas dran ist. Ich möchte ja keine Panik machen, Mr Nguyen, aber ich glaube, Sie sollten das sehr ernst nehmen. In Italien mag es ja nach außen hin ganz frei und locker und spontan zugehen, doch wenn’s hart auf hart kommt, stellt man fest, dass es in vieler Hinsicht ein Polizeistaat ist. Das könnte so ein Fall sein.«
Martin Nguyen starrte auf den leeren Bildschirm. »Ach du Scheiße«, wiederholte er.
32
Der Fahrzeugkonvoi hielt an einer entlegenen Stelle am Ufer des Busento an, nur wenige Kilometer südlich von Cosenza. Dorthin gelangte man einzig und allein über einen schmalen, steil bergab führenden, unbefestigten Weg, der von einer Nebenstraße abging, die von dem Dorf Dipignano in die Stadt führte und heutzutage nur noch wenig befahren war, da es eine viel schnellere Strecke über die Hügel im
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