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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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Osten mit Anschluss an die autostrada gab.
    Deshalb musste der Wachposten, den man an die Abzweigung gestellt hatte, um Eindringlinge abzuhalten, nur einmal tätig werden, als nämlich ein Bauer auf einem Quad angefahren kam, der eine Abkürzung durch das Tal nehmen wollte, indem er den Fluss durchquerte und auf dem westlichen Ufer den Hang wieder hochfuhr. Der Wachposten schüttelte nur den Kopf und erklärte dem Mann, dass der Weg » chiusa per lavoro « wäre. Was für Arbeiten? Der Bau eines Wehrs im Flussbett, um den Wasserstand anzuheben und die im Wasser lebende Fauna zu schützen. Ein Umweltprojekt. Der Bauer lachte wissend.
    »Schön zu hören, dass wenigstens irgendwer Geld aus Rom kriegt!«
    Man konnte über Giorgio ja sagen, was man wollte - und die Meinungen zu diesem Thema waren überaus vielfältig, obwohl sie selten ausgesprochen wurden -, aber er wusste, wie man ein Projekt wie dieses termingerecht, kostengünstig, mit minimalem Risiko und so kurzfristig wie möglich organisierte und durchführte. Angesichts der Art seiner Geschäfte waren die beiden letzten Merkmale vielleicht die wichtigsten. Da sich nur selten eine Gelegenheit bot - und wenn, dann meist ohne jede Vorankündigung -, musste man rasch reagieren können, um sie zu nutzen. Er hatte den Vortag damit verbracht, nach einem geeigneten Bauplatz Ausschau zu halten. Anfragen bei den wenigen Bauernhöfen in der Gegend, für die Giorgio sich schließlich entschieden hatte, ergaben, dass in diesem Tal bisher keine Hubschrauber gehört oder gesehen worden waren. Das war sehr wichtig für das Gelingen von Mantegas Plan, schnell reich zu werden, außerdem war Eile angesagt, da diejenigen, die nach der Stelle suchten, an der sich das Grab befand, jeden Moment auftauchen könnten.
    Die erste Phase der Operation umfasste das Aufschichten von Sandsäcken, um den Fluss zu stauen, der dank der Aufnahmefähigkeit der ausgedörrten Hänge ringsum trotz der jüngsten Regenfälle nur wenig Wasser führte. Als Nächstes musste ein kreisförmiges Areal von zehn Metern im Durchmesser markiert und auf dieser Fläche die obere Schicht Steine, Schotter und Pflanzen abgetragen werden. Dies wurde von ungelernten Arbeitern mit großer Sorgfalt per Hand erledigt, um auf den Steinen keine Spuren von Metallwerkzeug zu hinterlassen und die diversen Schilfe und anderen Pflanzen nicht zu beschädigen. Die hatten während des Sommers an den schlammigen Stellen, die sich durch die Wirbel in dem träge dahinfließenden Gewässer bildeten, Wurzeln geschlagen, würden aber schon vom ersten Hochwasser im Winter fortgespült werden. Dann wurde die Zufahrt mit Geotextil ausgelegt, um weitere Beschädigungen des Bodens so gering wie möglich zu halten, und der große gelbe Bagger vom Transporter heruntergeladen und zu der markierten Stelle gebracht, wo eine Grube von etwa zwei Meter Tiefe ausgehoben werden sollte.
    Während all dies im Gange war, fanden südlich davon an den unteren Hängen des Monte Serratore weitere Arbeiten statt. Dort trugen die Steinmetze die Mauern eines seit langem verlassenen, dachlosen, für die Gegend typischen Hauses ab und luden die verwitterten Basaltblöcke auf einen Lastwagen. Die Steine kamen kurz nach der Mittagspause des Teams auf der Baustelle an, worauf die Steinmetze begannen, in der ausgeschachteten Grube eine kreisförmige Mauer aus fünf Reihen Steinen zu errichten, mit einem Durchmesser von neunhundertdreiundvierzig Zentimetern. Die Steinmetze protestierten, dass dies eine irrationale Zahl sei, doch Giorgio ließ sich nicht beirren. Er hatte keine Ahnung, welches Längenmaß die Leute benutzt haben würden, die dieses Bauwerk angeblich errichtet hatten, doch ganz sicher wäre es nicht dieser standardisierte französische Import gewesen, der selbst heute in gewissen Teilen der Region noch nicht allgemein üblich war. Aus dem gleichen Grund hatte er die runde Form gewählt in Anlehnung an einige sehr alte Erdhügel in den Bergen, von denen der Lehrer in der Schule erzählt hatte, dass es sich um Gräber der Bruttii handelte, der Ureinwohner Kalabriens. Diese Erklärung hatte damals allgemeine Heiterkeit ausgelöst, weil das Wort, wenn man den letzten Buchstaben wegließ, »die Hässlichen« bedeutete. Von da an war Giorgios persönliches Motto » Sugno brutto e mi’nde vantu «: hässlich und stolz darauf.
    Das nun entstehende Bauwerk war allerdings überhaupt nicht hässlich. Während es allmählich Gestalt annahm, die Steinblöcke

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