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Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman

Titel: Sterben auf Italienisch - Ein Aurelio-Zen-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Dibdin
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abgekantet, aufgeschichtet und ohne sichtbaren Mörtel zusammengefügt wurden, begann selbst Giorgio zu glauben, dass dieser Plan von Mantega tatsächlich funktionieren könnte. Nicht dass es für ihn ein großer Verlust wäre, wenn er es nicht täte. Sein Kontaktmann in Vibo Valentia war ihm mehrere Gefallen schuldig und hatte ein sehr anständiges Preisangebot für Maschinen und Löhne gemacht. Und wenn der Coup mit ein bisschen Glück funktionierte, war kaum zu sagen, was an Profit dabei herausspringen würde. Es ging schlicht um die Frage, was der Abnehmer wollte, wie sehr er es wollte und wie viel er zu zahlen in der Lage war. Wenn man Mantega glauben konnte - und in Fällen, wo es um persönliche Bereicherung ging, konnte man das normalerweise -, dann lautete die Antwort auf die letzte Frage »fast alles«.
    Die Dämmerung war bereits angebrochen, als die Mauer fertig war und der Bagger anfing, die vorher ausgehobenen Steine und Schotter in die entstandene Einfriedung zu kippen. Dabei ließ sich nicht vermeiden, dass er mit seiner Schaufel verdächtige Kratzer auf den Steinen hinterließ, doch der Zeitdruck und sicherheitstechnische Bedenken hatten Giorgio ohnehin gezwungen, von bestimmten Annahmen auszugehen. Eine davon war, dass die Schatzsucher, sobald offenkundig wurde, dass das angebliche Grab bereits geöffnet worden war, sich nicht die Mühe machen würden, tiefer als die fünf Steinreihen zu graben, die man aufgeschichtet hatte, und dass sie das mit mechanischem Werkzeug tun würden. Alle Spuren auf den entfernten Steinen würden sie folglich auf ihre eigenen Geräte zurückführen. Und falls sie doch behutsamer vorgehen sollten, hatte Giorgio sich bereits mehrere Möglichkeiten überlegt, wie man sie zur Eile antreiben könnte. Die Arbeit, die sie da zu machen glaubten, war natürlich illegal, also sollte es nicht allzu schwierig sein, sie in Panik zu versetzen.
    Die letzten Phasen der Operation wurden nach Einbruch der Dunkelheit durchgeführt, im Scheinwerferlicht der Lastwagen. Die von dem abgerissenen Haus übrig gebliebenen Steine wurden auf das zugeschüttete Rund geworfen, als wären es Teile des gewölbten Dachs, das entfernt worden war, dann wurde die oberste Schicht Steine vorsichtig wieder aufgetragen, die Pflanzen eingesetzt und das ganze Gelände von Hand gesäubert und gefegt. Zuallerletzt wurde der Sandsackdamm entfernt, damit das aufgestaute Wasser das Bauwerk überfluten konnte, um die Spuren menschlichen Eingreifens zu tilgen. Dann schlängelte sich der Baukonvoi über die schmalen Landstraßen zur autostrada und bewegte sich Richtung Süden zurück ins Depot. Giorgio selbst fuhr mit dem schwarzen Jeep wieder ins Sila-Gebirge hinauf, zur Wohnung seiner Schwester. Am ehemaligen Bahnhof San Nicola, auf einer windgepeitschten Hochebene fünfzehnhundert Meter über dem Meeresspiegel, bog er von der Hauptstraße ab. In der Ferne bimmelten Kuhglocken, aber sonst war kein Geräusch zu hören. Dieser Eisenbahnabschnitt war stillgelegt worden, doch das öffentliche Telefon am Bahnhofsgebäude funktionierte immer noch, und dort war nie jemand.
    Giorgio warf einige Münzen ein und begann zu wählen, als er ganz nahe hinter sich ein Geräusch hörte. Er ließ den Hörer fallen und fuhr herum, in einer Hand seine Pistole, in der anderen die Taschenlampe. Ein Paar halluzinogener Augen starrte ihn an, eine schwarze verwilderte Katze, die in dem hohen Gras zwischen den verrosteten Schienen auf Beutejagd war. Sofort verlor sie wieder das Interesse an ihm und stolzierte über die Eisenbahnschwellen davon, von der Sonne gespleißte Bohlen, die aus den Wäldern stammten, die einst die gesamte Region bedeckt hatten und nun alt und verwittert waren wie die Balken des Kreuzes Christi.
    »Pronto« , quäkte Mantegas Stimme irgendwo von fern. »Pronto, pronto ? «
    Giorgio griff nach dem Hörer. »Signor Rossi?«
    »Der ist nicht zu Hause.«
    Giorgio legte auf und stieg wieder in den Jeep. Er war sehr zufrieden damit, wie der Tag gelaufen war. Die verschlüsselte Nachricht sollte Nicola Mantega informieren, dass die Falle bereit war. Sobald man sie entdeckt und geöffnet hatte - ganz offensichtlich zum zweiten Mal, da der Inhalt bereits geplündert worden war -, würde der Notar das Geschäft mit den enttäuschten Grabräubern in die Wege leiten. Höchstwahrscheinlich würden sie ein Objekt aus dem angeblichen Schatz prüfen wollen, bevor sie sich auf weitere Verhandlungen einließen. Als Beweis für die

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