Sterben in Rom
starrte er wie gebannt auf seine blutbesudelte Hand, und dann - Lilith würgte. Als sich die Zunge ihres Gefährten über dessen Lippen schob, er die verschmierte Hand hob - und darüber leckte!
Doch kaum hatte er das Blut der untoten Kreatur geschmeckt, spie er es auch schon aus! Enttäuschung zeichnete sich auf seinen Zügen ab, eine halbe Sekunde lang; dann steigerte sich der Ausdruck darin zu blanker Wut. Und die wiederum entlud sich in einem weiteren, diesmal wirklich mörderischem Hieb.
Weit wurde der Kopf des Mädchens mit einem Ruck in den Nacken getrieben. Weiter, als Nackenmuskulatur und Rückgrat es erlaubten.
Lilith glaubte etwas wie ein feuchtes Reißen zu hören, und ein dumpfes Knacken .
Wie eine Marionette, deren Fäden allesamt auf einmal gekappt worden waren, sank das Mädchen an der Kabinenwand entlang zu Boden. Tot. Diesmal wirklich tot.
Erst jetzt vernahmen Lilith und ihr namenloser Begleiter die Stimme. Krächzend kam sie aus einem kleinen Lautsprecher in der Kabinenecke.
». ist da?«
Und eine andere: »Wer soll da sein? Da kann doch niemand sein. Jedenfalls niemand, der dir antworten könnte ...«
Noch immer wütend, langte der Mann ohne Identität nach dem Lautsprecher und riß ihn aus der Halterung, um ihn schnaubend gegen die Wand zu dreschen. Knirschend zersplitterte das Plastikgehäuse. Splitter zerschnitten ihm das Fleisch seiner Finger. Rasch trat er auf Lilith zu.
»Alles in Ordnung?« fragte er so fürsorglich, wie sie es von ihm nie erwartet hätte.
Sie nickte hastig.
»Wirklich?« hakte er nach.
»Ja, es geht schon. Mir ist nichts passiert.«
Seine Finger strichen sanft über ihre verletzte Wange, verwischten das Blut, das aus den Kratzern getreten war, und hinterließen Spuren seines eigenen darauf. Im diffusen Licht der Deckenleuchte schien ihrer beider Blut vom selben Ton - dunkelstes Rot .
Und wieder konnte Lilith beobachten, wie ihr Gefährte sich veränderte. Als würde er übergangslos in Bann geschlagen.
Wovon?
Wieder hob er die Hand zu seinem Gesicht. Dann roch er an den Fingern, an denen ihr Blut klebte, und wieder leckte er daran. Diesmal spuckte er nicht aus.
Statt dessen hielt er ihr seine verletzte Hand hin.
Seine verletzte Hand? Lilith stutzte.
Die Schnitte bluteten kaum noch, waren fast nicht mehr zu sehen »Was ...?« fragte sie zweifelnd.
»Koste«, forderte er sie auf.
Und sie tat es. Wie von selbst. Gegen ihren eigentlichen Willen. Allen Ekel überwindend.
Liliths Lippen berührten seine schwach blutenden Finger wie zum Kuß. Dunkle Feuchte netzte sie, Tropfen rannen auf ihre Zunge, kühl und zäh - und köstlich. Ganz anders, als sie geglaubt hatte, daß Blut schmecken müßte - nicht metallisch und warm, sondern auf eine Art würzig, wie Lilith es nie zuvor empfunden hatte. Diese Würze, dieser Geschmack wollte ein wildes Feuer in ihr wecken, das Doch dazu kam es nicht.
Die Welt um sie her verging in Splittern und Kreischen.
Und sie versank in Finsternis.
Schwarz wie - Blut .?
Diesen Gedanken begriff Lilith schon nicht mehr.
* »Bei der Heiligen Mutter Gottes! Schau sich das einer an!«
Silvio taumelte umher, in einer Tour entweder fluchend oder jammernd, während Giovanni sich auf letzteres beschränkte. Er kauerte an den umgestürzten Ambulanzwagen gelehnt da, hielt sich den gebrochenen Arm und versuchte tunlichst nicht auf seine Verletzung hinabzusehen. Zwar wurde er fast täglich mit schlimmeren Anblicken konfrontiert, aber da blieben ihm wenigstens die Schmerzen erspart. Nun aber, da Teile des zersplitterten Knochens dornengleich aus seinem Fleisch ragten .
Das Treiben um ihn herum lenkte ihn zumindest ein kleines bißchen von seinem eigenen Dilemma ab.
Inzwischen war ein Notarzt mit entsprechendem Team eingetroffen, von Zeugen alarmiert. Der Fahrer des Lastwagens, der ihren Transporter gerammt hatte, war nur leicht verletzt, und auch Silvio schien mit dem Schrecken davongekommen zu sein. Untersuchen würde man sie freilich trotzdem.
Was im Transportraum ihres Wagens geschehen war, darauf konnte Giovanni sich keinen Reim machen.
Tatsache war wohl, daß sich zwei blinde Passagiere eingeschlichen hatten. Eine geradezu betörend schöne junge Frau und ein Mann, der selbst jetzt, da er reglos kaum vier Schritte von Giovanni entfernt auf dem Asphalt lag, auf geradezu unheimliche Weise unnahbar und furchteinflößend wirkte.
Im Scheinwerferlicht der Fahrzeuge, die sich rings um die Kreuzung stauten, konnte Giovanni den seltsamen
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