Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterbensangst (German Edition)

Sterbensangst (German Edition)

Titel: Sterbensangst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
Vom Netzwerk:
gekommen?«
    McAvoy nickt. Schluckt. Räuspert sich, damit seine Stimme grollender klingt. »Roisin hat ihn abgeholt. Die Kellnerin aus dem Café kümmerte sich bis dahin um ihn. Ich schätze, ich bin bei beiden unten durch.«
    »Auch bei der Kellnerin?«
    McAvoy lächelt. »Ja, bei der wahrscheinlich auch.«
    Sie verfallen für einen Moment in Schweigen, während Tremberg sich zum ersten Mal einen Blick auf die Leiche des Mädchens erlaubt. Sie schüttelt den Kopf und sieht wieder weg. Konzentriert sich auf ihr Notizbuch. Möchte hier alles richtig machen. Sie hatte noch nie Probleme damit, Tatorte aufzunehmen oder Berichte zu schreiben. Aber McAvoy hat eine Ausstrahlung, die sie seltsam irritierend findet. Es ist nicht nur seine Größe. Sie spürt eine merkwürdige Traurigkeit in ihm. Eine stumme, brütende Intensität, die den Umgang mit ihm schwierig macht. Mit den Jungs vom Revier kommt sie glänzend klar. Sie kann mit ihren männlichen Kollegen Witze reißen und die meisten unter den Tisch trinken. Aber sie weiß nicht recht, wie sie bei ihrem Sergeant ankommen kann. Er scheint alles so persönlich zu nehmen und ist besessen davon, alles nach Lehrbuch zu erledigen. Wenn er Formulare ausfüllt, zitiert er immer die richtigen Abschnitte und Unterabschnitte und verwendet stets die politisch korrekte Bezeichnung für jeden Dreckskerl, mit dem sie es zu tun bekommen.
    Sie weiß, dass er seine Geheimnisse hat. Irgendetwas ist vor einem Jahr geschehen, droben im Country Park, was einen allseits bekannten Polizisten den Job gekostet hat, und McAvoy lag monatelang auf Eis. Er wurde verletzt, so viel weiß sie. Hauchdünne Narben durchziehen sein Gesicht. Gerüchten zufolge befinden sich noch mehr davon unter der teuren Kleidung, die er so unelegant zu tragen weiß. Bei McAvoys Rückkehr aus dem Krankenstand gehörte Tremberg erst seit ein paar Wochen zu Trish Pharaohs Team, und sie war begeistert von der Chance, mit ihm zusammenzuarbeiten. Doch ihre erste Begegnung verlief enttäuschend. Sie hatte einen kleinen Mann gesehen, der im Körper eines Riesen gefangen schien. Er hatte die Ausstrahlung eines ehrgeizlosen, bebrillten Buchhalters, der seine gigantische Statur wie einen viel zu großen Anzug trug. Und dann waren da die Augen. Diese großen, traurigen Kuhaugen, ständig fragend, abschätzend, missbilligend, taxierend. Manchmal musste sie dabei an einen alten schottischen König denken, das Schwert über die Knie gelegt, eine Decke um die Schultern hängend, hustend, keuchend, aber immer noch in der Lage, ein Claymore-Schwert mit ausreichender Wucht zu schwingen, um einen Stier zu enthaupten.
    Sie sieht ihn an. Betet zu Gott, dass sie hier in die Gänge kommen, bevor Detective Chief Inspector Colin Ray mit seinem abgerichteten Hündchen hereinspaziert und ihnen die Party verdirbt.
    McAvoy steht auf. Muss sich aufstützen und merkt, dass seine Hand auf einer ledergebundenen Bibel auf der Kirchenbank ruht.
    »So wenig Gnade«, sagte er wie zu sich selbst.
    »Sarge?«
    »Manchmal wundert man sich einfach«, murmelt er, und ein Erröten über seine ketzerische Äußerung steigt vom Hemdkragen bis ins breite Gesicht auf. »Warum sie? Warum hier? Warum jetzt?« Er wedelt mit einer riesigen, schaufelartigen Hand. »Warum das Ganze?«
    »Böse Welt«, meint Tremberg achselzuckend.
    McAvoy blickt zu Boden und streicht über den Einband der Bibel.
    »Das Wort Gottes, schwarz auf weiß«, sagt er leise und schließt die Augen.
    »Sie hieß Daphne Cotton«, meint Tremberg, plötzlich mit weicherer Stimme und weniger forsch, als hätten der Anblick der Leiche und die drastische, brutale Traurigkeit der Szene sie ihrer anfänglichen Großspurigkeit beraubt. »War fünfzehn Jahre alt. Sie gehörte seit vier Jahren zu dieser Gemeinde. Adoptiert.«
    »Langsam, langsam«, sagt McAvoy, dem der Kopf von Ideen und Fragen schwirrt. Er hat einen logisch denkenden Verstand, aber die Dinge ergeben für ihn niedergeschrieben und sauber angeordnet besser einen Sinn. Er mag den Prozess des Ermittelns. Mag es, Details minutiös und ordentlich festzuhalten. Mit seinem dumpfen, schmerzenden Schädel befürchtet er, dass ihm vieles entgehen wird. »Daphne Cotton«, wiederholt er. »Fünfzehn. Adoptiert. Von hier?«
    Tremberg sieht verwirrt aus. »Sarge?«
    »Sie ist ein schwarzes Mädchen, DC Tremberg. Wurde sie aus dem Ausland adoptiert?«
    »Ach so. Weiß ich nicht.«
    »Na gut.«
    Sie verfallen in Schweigen, beide von ihrem Gegenüber und von

Weitere Kostenlose Bücher