Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterbensangst (German Edition)

Sterbensangst (German Edition)

Titel: Sterbensangst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
Vom Netzwerk:
er laufende Schritte hört. Entfernte Sirenen. Eine Stimme.
    Hände auf sich fühlt.
    »Sie kommen wieder in Ordnung. Bleiben Sie wach. Bleiben Sie wach, mein Junge.«
    Und dann rauer, kräftiger, wie ein fester schwarzer Strich zwischen abgestuften Schattierungen, eine andere Stimme, durchtränkt von Qual …
    »Er hat sie umgebracht. Sie ist tot. Sie ist tot!«
    Während McAvoy mit weit aufgerissenen Augen in den Himmel starrt, ist er der Erste, der den Schnee fallen sieht.

Kapitel 2
    Sie liegt noch da, wo sie hingefallen ist, zusammengesunken und mit verrenkten Gliedmaßen auf den Altarstufen: ein Bein angezogen, das Knie weggeknickt – ein halb heruntergerutschter Turnschuh an bestrumpften Zehen baumelnd.
    Sie ist ein schwarzes Mädchen, Gesicht und Hände wie dunkles Mahagoni: die nach oben gewandten Handflächen weich, mit der Farbe von geschäumter Milch. Sie ist jung. Immer noch in den Fängen der Pubertät. Nicht alt genug, um Zigaretten zu kaufen. Nicht alt genug, um Sex zu haben. Nicht alt genug zum Sterben.
    Niemand hat Wiederbelebungsversuche unternommen. Es sind zu viele Löcher in ihr. Ihre Brust zusammenzudrücken wäre so, als ob man einen nassen Schwamm ausquetscht.
    Ihre schneeweiße Soutane ist hinten am Rücken hochgerutscht, liegt zusammengeschoben unter ihrer Leiche. Das dichte weiße Gewebe schmiegt sich eng an die Rundung einer kleinen, festen Brust.
    Das Blut des Mädchens hat das Gewand auf einer Seite scharlachrot durchtränkt. Auf der anderen ist es noch makellos. Wäre da nicht der verzerrte Gesichtsausdruck, man könnte meinen, dass diese scheußliche Untat nur einer Hälfte ihrer kleinen Gestalt zugefügt worden wäre.
    Offensichtlich war ihr Tod qualvoll. Dunkle Streifen bedecken ihre Wangen, den Hals, das Kinn und die Lippen, als hätte sie jemand mit Händen voller Blut bespritzt. Es ist in einem rötlichen Regen auf sie niedergegangen, während sie schon am Boden lag, tot und mit offenen Augen, den leeren Blick auf die ferne, von Säulen getragene Gewölbedecke mit handgemalten Sternen geheftet.
    »Armes, armes Mädchen.«
    McAvoy steht dem Altar gegenüber, eine große rosige Hand um die hölzerne Rückenlehne der ersten Bankreihe geklammert. Er fühlt sich elend und schwindelig, und eine nebelhafte Unschärfe liegt in seinem Blick, wo eine dicke Beule über dem Auge in sein Gesichtsfeld ragt. Die Sanitäter hatten ihn auf der Stelle zum Röntgen in die Notaufnahme bringen wollen, doch McAvoy, dem Verletzungen nicht fremd sind, weiß, dass diese Wunde nichts Schlimmeres bedeutet als Schmerzen. Schmerz ist auszuhalten.
    »Glück gehabt, was, Sarge?«
    McAvoy fährt herum, als die Stimme dröhnend durch die Leere der Kirche hallt. Seine Bewegung ist viel zu schnell. Eine erneute Explosion von Schmerz zerreißt ihm den Schädel, und er sinkt auf die Bank, während DC Helen Tremberg den Mittelgang entlangkommt. Übelkeit steigt in ihm hoch.
    »Wie meinen, Detective Constable Tremberg?«
    »Es heißt, er hätte Sie beinahe filetiert. Glück gehabt.«
    Ihre Wangen glühen. Sie ist aufgeregt. Während der letzten Stunde hat sie die uniformierten Polizisten von ihrem improvisierten Hauptquartier im Büro des Küsters aus dirigiert, und einer der jüngeren Constables hat ›Ma’am‹ zu ihr gesagt, weil er sie für eine höhere Beamtin hielt. Ein schönes Gefühl. Es gefällt ihr, Leuten Anordnungen zu erteilen und dann zu sehen, wie sie befolgt werden. Inzwischen hat das Dutzend Uniformierter bereits die erste Ladung Zeugenaussagen von den Kirchenbesuchern aufgenommen, ebenso wie die Namen und Adressen derjenigen, die noch zu sehr unter Schock standen, um zusammenhängend berichten zu können.
    »Er ist mit dem Griff auf mich losgegangen, nicht mit der Klinge.«
    »Dann waren Sie ihm wohl sympathisch, was? Es muss doch schwieriger gewesen sein, Sie k. o. zu schlagen, als Sie umzubringen. In der Hitze des Augenblicks, mit der Machete in der Hand. Und er gibt Ihnen eins auf den Schädel, statt Sie in Stücke zu hauen. Wie ich schon sagte: Glück gehabt.«
    McAvoy starrt auf seine Füße und wartet, dass die pochenden Schmerzen nachlassen.
    Er kann sich vorstellen, wie man sich diese Geschichte erzählen wird. Er hat seinen Ruf als Schreibtischhengst weg; als Meister der Tabellen und Datenbanken, der Computer und der Technologie. Am Schauplatz eines Verbrechens vom Hauptverdächtigen k. o. geschlagen? Er kann jetzt schon die Witzeleien hören.
    »Ist Ihr Junge gut nach Hause

Weitere Kostenlose Bücher