Sterbensangst (German Edition)

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    Sie war bereits auf dem Nachhauseweg gewesen, als der Anruf sie erreicht hatte. Eine der Schwestern von ihrer Station war am Apparat, atemlos vor Aufregung.
    Am frühen Abend hatte Anne Montrose sich bewegt. Ihre Augenlider hatten gezuckt, und die Kurve auf dem Monitor zeigte eine kurze Spitze, die auf erhöhte Hirnaktivität hindeutete.
    Ein Traum? Dr. Straub hat sich schon oft gefragt, was ihre Patienten wohl sehen. Was hinter ihren Augen vor sich geht.
    Und hier und jetzt fragt sie sich, ob Anne Montrose, wo immer sie sein mag, glücklich ist.
    Ob sie wohl jemals die Gelegenheit erhalten wird, sie selbst zu fragen? Mit jemandem zu reden, der zurückgekommen ist?
    Sie beißt die Zähne zusammen und spürt, wie ihre Kiefermuskulatur sich verkrampft. Sie will sich nicht mitreißen lassen. Versucht, ihre Aufregung im Zaum zu halten. Aber irgendwo im unwissenschaftlichen Teil ihrer selbst träumt sie davon, dass Anne Montrose vor dem Morgengrauen ein Wunder erleben möge.
    Leise, um den Mann an ihrer Seite nicht zu wecken, schlüpft sie aus dem Bett und tappt über den versiegelten Parkettboden. Sie öffnet die Schlafzimmertür und geht ins Wohnzimmer, wo eine weiße Ledercouchgarnitur und geschmackvolle Schwarzweißfotografien auf sie warten.
    Sie schaltet den großen Plasmabildschirm auf dem Sims des elektrischen Kamins ein und fährt die Lautstärke herunter, während sie sich durch die Kanäle zappt. Die Uhr in der Ecke des Bildschirms sagt, dass es schon weit nach Mitternacht ist.
    Übernächtigt stellt Dr. Straub einen der Sender ein, die rund um die Uhr Nachrichten bringen. In Schottland sind Hunderte von Haushalten durch den Sturm ohne Elektrizität. Ein Polizeibeamter wurde nach einem Überfall im Humber Bridge Country Park, bei dem ein Fahrzeug explodierte und ein nahe gelegenes Verwaltungsgebäude zerstört wurde, mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Eine weitere Person soll dabei ums Leben gekommen sein. Eine andere Meldung besagt, dass ein hochdekorierter Colonel der britischen Armee im Zusammenhang mit der Ermordung von Daphne Cotton verhaftet wurde, die vor ein paar Tagen in der Dreifaltigkeitskirche in Hull erstochen wurde. Aus Polizeikreisen verlautet, dass er nicht des Mordes verdächtigt würde, aber entscheidende Informationen zurückgehalten habe, die in Verbindung mit diesem und anderen Fällen stehen …
    Zu ihrer Linken, ganz oben auf einem Bücherstapel, beginnt Dr. Straubs Telefon zu klingeln.
    Schnell springt sie auf und nimmt den Hörer ab, damit ihr Partner nicht aufwacht und ihr diese Momente nachdenklicher Einsamkeit erhalten bleiben.
    »Dr. Straub?« Die Stimme klingt atemlos und aufgeregt. »Hier ist Julie Hibbert. Es tut mir leid, Sie so spät noch anzurufen, aber ich dachte, Sie würden es wissen wollen …«
    »Kein Problem, Julie«, sagt sie mit einem Zittern in der Stimme. Ist es möglich, dass ihre Patientin aufgewacht ist?
    »Es geht um Anne Montrose, Dr. Straub«, sagt die Krankenschwester.
    »Ja?«
    »Ich fürchte, es war eine Anomalie. Sie hat sich wieder stabilisiert. Ihre Gehirnfunktionen sind wieder wie zuvor. Der Puls geht regelmäßig. Egal, warum ihre Augenlider geflackert haben, es ist vorbei.«
    Dr. Straub dankt ihr. Legt den Hörer wieder auf.
    Setzt sich in den Polstersessel und legt den Kopf zurück. Beinahe unmerklich schüttelt sie den Kopf und schließt die Augen.
    Wunder.

Danksagung
    Mein besonderer Dank gilt Oli Munson und Blake Friedman, weil sie meine endlose Fragerei klaglos ertragen haben und überhaupt generell spitze sind, und Jon bei Quercus aus dem gleichen Grund. Sarah Jones und Sarah Morgan: Vielen Dank dafür, dass ihr die Menschen seid, die ihr seid. Und mehr noch als allen anderen danke ich Nik und den Kindern. Ihr seid mein Grund für alles.